Berichte von 08/2019

A wie Austauschstudenten, B wie Barbecue Party und C wie Carservice

29Aug2019

Da fällt mir auf, dass ich ja noch gar nicht vom erste Kennenlerntreffen mit ein paar französischen und anderen deutschen Austauschstudenten berichtet habe! - Gleich am ersten Wochenende nach unserer Ankunft beschlossen Marvolos Tutorin Anni und ihre Freundin und ebenfalls Tutorin namens Viivi eine kleine Kaffeklatschrunde im Ratina Shoppingcenter abzuhalten, damit sich ihre Schützlinge kennenlernen und somit die ersten mehr oder weniger internationalen Bekanntschaften geschlossen werden konnten. Freundlicherweise durfte ich mitkommen, obwohl ich eigentlich eine andere Tutorin habe, die uns bei der Ankunft die Wohnungsschlüssel überreichte, das war's bisher dann aber auch mit Kontakt. Also saßen 3 französische Austauschstudenten, die zwei Finninnen, sowie wir beide und die anderen drei Deutschen in einem schicken Café, dessen Name ich mir weder merken, noch aussprechen kann und naja... schwiegen uns am anfang ein klein wenig an. Nach und nach wurde die Stimmung deutlich lockerer, die Tutorinnen beantworteten Fragen und betonten ungefähr 10 Mal, dass Finnen und Smalltalk einfach nicht zusammenpassen und wir die nächsten Monate in "the country of saunas and silence" verbringen werden und bloß nicht verzweifeln sollen, wenn die finnischen Menschen kein großartiges Gespräch zu uns suchen würden oder nur kurz angebunden sind und daher scheu und introvertiert wirken. Augenkontakt wäre ebenfalls kein Part der Kultur und Smalltalk erst recht nicht ... Ich kann euch allerdings beruhigen, bis dato sind die Finnen, wenn sie denn Englisch sprechen, sehr freundliche und trotz charmanter Zurückhaltung definitiv zugängliche Leute. 

Und siehe da, das erste Kennenlernen mündete in einem zweiten Treffen mit derselben Truppe! Während der sogenannten Ice Breaker Party, die nebenbei um 14 Uhr nachmittags stattfand, was für mein Dafürhalten fast etwas arg früh war für eine Party in einer dunklen Halle mit lauter Musik, darunter übrigens auch DJ Ötzi (man frage sich an dieser Stelle warum und auch ich suche noch immer nach dem Grund hierfür), trafen wir wieder auf zwei der Franzosen, Domitille und Alexandre. Nach knapp 2 Stunden Unterhaltung überlegten wir uns, dass wir uns doch alle nochmal treffen könnten und gesagt, getan, die Franzosen luden ein zum Apéritif, also eine Runde mit Snacks und Getränken. Ein paar Tage darauf saßen wir dann auch in der sehr schönen Wohnung oberhalb eines Restaurants in der Innenstadt, tauschten uns über alles mögliche aus und verbrachten einen sehr ausgelassenen, witzigen Abend zusammen. Die beiden Gastgeber haben sich wirklich viel Mühe gegeben und sehr viele französische Snacks und Getränke bereitgestellt und waren allgemein sehr gute Gastgeber - war fast etwas unüberlegt, dass Marvolo und ich eine Stunde zuvor zum alleresten Mal essen waren in der Stadt und uns zwei wagenradgroße Pizzas in die Figur schlugen, aber so schauten wir den anderen eben beim Essen zu 😀 Und weil alle guten Dinge drei (oder mehr) sind, wurde gleich das nächste Treffen ausgemacht: dieses Mal eine Grillparty bei Sophie aus Mannheim.

Der Tag kam, es wurde 17:00 Uhr und wir machten uns auf den Weg in einen nördlichen Stadtteil mit dem klangvollen Namen Rauhaniemi. Auf dem Weg stoppten wir kurz bei Lidl, um noch die von Sophie befohlenen Becher zu kaufen und unser Grillequipment (und damit meine ich Essen) zu vervollständigen. Danach folgte ein kurzer Halt am Wohnheim von Viivi und Clémence, die wir - als einzige Autobesitzer der Gruppe - natürlich gerne mitnahmen. Angekommen am Wohnheim, das wirklich beneidenswert nah am Seeufer liegt, stolperten Sophie und zwei weitere deutsche (uns bis dahin aber unbekannte) Mädels entgegen, die völlig überrascht dreinschauten, als sie uns sahen. Wir waren wohlgemerkt bereits eine Stunde später als ausgemacht am ausgemachten BBQ Party - Hotspot. Auf jeden Fall, ließen die drei Damen sich nicht beirren und wollten noch eine gepflegte Runde schwimmen gehen, wir sollten doch schon mal vorgehen zur Grillhütte (auf dem  Foto zu sehen) und alles soweit vorbereiten. Das war auch ein gutes Stichwort, denn nach und nach trudelten die anderen Leute ein - die Gastgeberin noch immer in den Weiten des finnischen Gewässers. Als dann alle versammelt waren, das Feuer entfacht, die Wurstwaren auf dem Rost, die Gespräche im vollen Gange und die Stimmung ungezwungen, gesellten sich auch besagte Gastgeberin und deren Freundinnen dazu und die BBQ-Party wurde ihrem Namen auch gerecht. Am Abend, sagte man uns, waren angeblich die Chancen auf Nordlicher sehr hoch und deshalb sprangen ein paar Leute aus der Gruppe auch angestachelt auf und wollten zu späteren Stunden an den dunklen See, um ihre Chancen noch weiter zu steigern. Gesehen haben wir leider nix, da half auch das Studieren der Google-Ergebnisse und die fachmännische Auswertung der Datenlage der Aurora Borrealis durch die Gastgeberin nichts. Wird hoffentlich nicht die letzte Chance gewesen sein, die sagenumwobenen Nordlichter zu Gesicht zu bekommen - ich setze an dieser Stelle sehr stark auf Lapland Ende November! Als sich dann die Partygesellschaft sehr sonderbar zerstreute und keiner mehr so recht wusste, ob die Party noch im vollen Gange ist oder wir das Ende nicht mitbekommen hatten, entschlossen wir uns kurzerhand dazu, das Feld bzw. den Grillplatz zu räumen und gen Bett zu fahren. An dieser Stelle kommt dann auch das C wie Carservice (aus der Überschrift) zu Tragen: Da Allegra ein wahres Raumwunder ist, hatten wir ja noch 3 Plätze im Auto frei, die wir den beiden Finninnen und Clémence aus Frankreich anboten und diese nach Hause fuhren. Kurze Zeit später rollten auch wir auf den Parkplatz unseres Wohnheims und Allegra war ihren Taxi-Pflichten entbunden und wir warfen uns in Jogginghose und beehrten unsere Betten. 

 

 

von Infoveranstaltungen, Stadtrundfahrten und bunten Hosen

24Aug2019

Drei Mal im Bett umgedreht und dann war's doch auch schon wieder Montag und damit unser erster Tag an der Tampere University. Die Uni ist aufgeteilt in den Hervanta Campus, den Kauppi Campus und den City Center Campus, die alle unterschiedlich gestaltet sind, aber allesamt schön strukturiert und modern gehalten sind. 

Wir zwei Pappnasen wandeln die nächsten Monate auf dem City Center Campus und werden dort versuchen Finnisch zu lernen, Englischkurse zu belegen, sowie einenm Kurs über die finnische Kultur und Gesellschaft beiwohnen. Modisch aufzufallen wird hier in der Uni allerdings äußerst schwierig, denn die Konkurrenz schläft nicht! Auch wenn man an dieser Stelle jetzt avantgardistische Fashion und Haute-Couture erwarten würde, muss ich alle Modefüchse enttäuschen. Darf ich vorstellen, der letzte Schrei unter den Studenten sind die bunten Overalls. Die Grundfarbe kann man sich hier nicht aussuchen, sondern wird von der jeweiligen Fakultät bzw. der Studienfachrichtung festgelegt. Rot für Sprachen, Blau für Management usw. Die Farben sind übrigens alles andere als dezent, ich würde sie als alarmrot, knallblau, quietschpink, zitronengelb, neongrün und co bezeichnen. Alles, was der Kategorie Auffallen um jeden Preis entspricht und was der Regenbogen eben so hergibt. Und wäre das nicht schon bunt genug, schmücken jede einzelne Hosen zwischen 20-200 Aufnäher, die man sich hier als finnischer Student verdienen oder kaufen und dann selbstverständlich zur (Mode)Schau stellen darf/will/kann/soll. Die richtig coolen (und damit die Mehrheit) tragen den Overall als Baggypants mit lässig um die Hüfte geknoteten Ärmeln und nicht als Overall. Gewusst wie!

Die erste Prüfung haben wir beide übrigens auch schon erfolgreich hinter uns bringen können! Und zwar einen Englisch-Test, der überprüfen sollte, ob wir denn auch tatsächlich in der Lage sind, diese Sprache anzuwenden. Nach Jahren des Lernens und tatsächlich auch Studierens, gingen wir doch recht zuversichtlich an die Sache ran, allerdings war schnell klar, dass die 8 Seiten es mächtig in sich hatten... Nach 20 Minuten des Erschließens, Ankreuzens und  halbwissentlichen Ratens waren wir froh, dass es rum war und einen Tag später dann noch froher, unter den 20 Leuten zu sein, die diesen Test bestanden haben.

Die Welcome Week war eine schier endlose Reihe an Informationsveranstaltungen über das Leben in Finnland, das Studieren an der Universität, Registrierungsaktionen, Mülltrennung, Reisen, Studentenverbindungen, Auslandsamt-Aufträge, Amtsgängen, das Schaffen der Polizei, rote Ampel-Regelungen, Veranstaltungen und Kennenlernpartys, sowie einer Rede der Uni-Präsidentin, Improvisationstheater-Einlage und Vorstellungsrunde aller Fakultäten. Alles in allem wurden sehr viele Worte gesprochen, wir waren mit der Informationsflut überfordert und froh, dass wir eine seitenlange Broschüre mitbekommen haben, in der nochmal alles aufgegliedert war und die bei uns zur ständigen Abendlektüre wurde. 

Ein paar Tage nachdem wir uns durch den Bürokratie-Dschungel gekämpft haben, hieß es dann: 2 Stunden Bustour durch Tampere! So konnten wir tatsächlich auch mal alle Ecken von Tampere sehen und dank der netten Tourleitung viele interessante Dinge über die Stadt erfahren. Besonders cool war der Aussichtspunkt am höchsten Berg der Stadt, von wo aus man einen super Blick auf den großen See im Norden hatte (siehe Fotos mit den Selfie-Affen). Bis dahin waren wir eigentlich nur im Stadtzentrum und auf dem Campus unterwegs, aber dank der Stadtrundfahrt haben wir noch andere schöne Seiten unserer Wahl-Hometown entdecken können und werden mit ganz großer Sicherheit wieder an einige Stellen kommen und die Stadtviertel unter die Lupe nehmen. Fragt man übrigens die Finnen selbst, was man hier alles unternehmen sollte, wirken sie fast überfordert und wissen auch nicht so recht. Irgendwann murmeln sie dann etwas von Schwimmen im See und danach folgt auch direkt "Lappland ist auch echt schön, vor allem im Winter" oder ein "Warst du schon in Helsinki". Ich bin mir aber ganz sicher, dass Tampere schon ein paar erlebenswerte Dinge zu bieten hat und dessen finnischer Charme auch absolut ausreichend sein wird. Und langweilig wird uns hier sicher nicht, zur Not gibt es ja noch die Möglichkeit unter die Fischer und Pilzesammler zu gehen, aber so weit wird es vermutlich nicht kommen ... 

 

Zum GlĂźck gibt's IKEA

16Aug2019

Endlich angekommen in der auserkorenen Heimatstadt auf Zeit, in Tampere! 

Alles hat ein Ende und so ging auch die Reise durch Polen und das Baltikum zu Ende, was in unserem Fall aber noch lange nicht bedeutete, dass wir uns wieder ganz dem Alltagsleben und der Routine hingeben würden, nein, jetzt hieß es, Koffer nach oben tragen. Und zwar in den dritten Stock. Ohne Aufzug. Und es waren viele Koffer. Viele, schwere Koffer. Und Taschen. Und Kissen. Und Tüten. Einfach alles, was man für ein paar Monate Wohnen und Leben so braucht. 
[Sollte hier irgendjemand Tipps und Tricks zum Kofferpacken brauchen, dann bin ich definitiv nicht die richtige Ansprechperson. Kurzes Beispiel: ich habe ein Beautycase dabei, das auch für 3-4 Jahre Survival-Camp ausreichen würde, aber an Handschuhe denken? Nö, wieso auch, ist ja nur Finnland, auch bekannt als, Land mit viel Schnee und langen, dunklen Wintern - aber es gibt auch echt mehr Auswahl in Drogeriemärkten als in Handschuhboutiquen]. 
 
Unsere erste gemeinsame WG liegt im schön gelegenen Stadtteil Lukonmäki in einem Retro-Apartmentkomplex, in welchem fast ausschließlich internationale Studenten und Studentinnen untergebracht sind. Retro deshalb, weil alt einfach wenig einladend klingt. Zwar war die Wohnung sichtlich in die Jahre gekommen und ganz offenbar das Zuhause vieler vieler vieler Vorgänger und alles dementsprechend abgewohnt, aber immerhin war alles sauber und die nötigsten Möbel waren ebenfalls vor Ort. Aber eben auch nicht mehr. Den ein oder anderen Schönheitsfehler konnten wir durch einen Ikea-Besuch beheben und wir waren ein Mal mehr dankbar für das schwedische Großunternehmen in blau-gelb. In einem überdimensionalen Shoppingcenter waren wir dann auch das erste Mal einkaufen und haben uns gleich mehrfach verlaufen. Aber ich sitze hier und schreibe, das heißt, wir haben den Weg nach mehr als 2 Stunden Suchen, Finden, wieder Suchen zur Kasse gefunden und alles erfolgreich in unserer Küche verstaut. Der Kühlschrank, der bei unserer Ankunft leider nicht funktioniert hat, wurde einen Tag später repariert, das aufgebrochenen Türschloss in Marvolos Zimmer ist ebenfalls gerichtet und die Feuermelder piepen auch nicht mehr. 
So behausen wir jetzt eine doch wohnliche, schnieke und großzügig geschnittene Burg im Südosten Tamperes. 
 

Hei Suomi! Anteeksi, en puhu suomea...

15Aug2019

Das ist in der Tat Finnisch und bedeutet so viel wie Hallo Finnland! Ich spreche leider kein Finnisch - was den Spracherwerb angeht, ist also noch reichlich Luft nach oben. Aber dazu später mehr, erstmal einmal von vorne, also vom Tag unserer Ankunft hier im schönen Norden. 

Von der estnischen Hauptsstadt aus ging es mit der Fähre nach Helsinki, das dauerte auch nur etwas mehr als 2 Stunden, also war der Aufenthalt auf Deck auch sehr kurzweilig. Wobei die erste halbe Stunde dann doch etwas sonderbar war... Wir zwei sind schnurstracks ganz nach oben aufs Deck und wollten den Blick aufs Meer genießen und uns die aufwendig ondulierten Haarfrisuren vom Wind völlig ruinieren lassen und setzten uns an einen der vielen Tische. Und wir blieben auch nicht lange allein, denn zwei ältere Herren sahen in uns offenbar die ideale Reiseunterhaltung und gesellten sich dazu. In unseren Köpfen: Naja, die sind sicher nett und Deutsch sprechen die sicher auch nicht, ist ja nur eine kurze Zeit hier. In deren Köpfen: Uh, perfekt, die sprechen Deutsch, das haben wir doch vor einigen Jahrzehnten in der Schule in Finnland gelernt - das ist DIE Chance! Und damit war die Konversation quasi besiegelt und der agilere der beiden fing an wasserfallartig mit uns zu sprechen und uns Dinge über seine Zeit in Deutschland in den 1970ern zu sprechen, über die deutsche Historie (wie kann es anders sein) und überhaupt Weltkriege und die Rolle Finnlands im Allgemeinen. So richtig elegant losreißen konnten wir uns nicht und als dann die Frage gestellt wurde, wie alt wir denn seinen bis dahin schweigsamen Reisekompanen schätzen würden, wussten wir beide - okay 1,2,3 komm, lass uns wegrennen. Nein, natürlich sind wir nicht gerannt - ich konnte mich zum Glück auf den guten Marvolo verlassen, der höflich mit "vielleicht so 70" antwortete (obwohl wir beide wussten, dass dieser runde Geburtstag mindestens 15 Jahre zurücklag bei dem guten Herren, dessen Pony übrigens gerader als so manche Karriere verlief). Beide waren verzückt über die Antwort und wir ergriffen die nächstbeste Gelegenheit, verabschiedeten uns und suchten uns einen Tisch am anderen Ende des Decks. Ach ja, er war übrings 87 Jahre alt, 70 war also sehr charmant. 

In Helsinki angekommen, ließ die nächste finnische Interaktion nicht lange auf sich warten. Dieses Mal in der Hauptrolle: eine Zollbeamtin. Wir als einziges Auto mit deutschem Nummernschild waren ihre Chance ein auffälliges Fahrzeug auf die Seite zu winken. Um es auf den Punkt zu bringen, sie war eigentlich nur neugirieg und wollte wissen, was wir denn hier machen würden, wo doch Deutschland so schön sei und sowieso viel besser als Finnland, Tampere wäre zudem kommunisitsch und langweilig und sie hoffte, wir hätten jede Menge Alkohol dabei, um uns das Leben schön zu saufen. Sichtlich irritiert durften wir nach diesem Willkommens-Vortrag den Hafen verlassen und traten das letzte Stück unserer Anreise nach Tampere an. Vor uns etwa nur noch 2,5 Stunden Fahrt. 

 

Von Dzingel, Rentnern und Liebesbriefen: Touristisches Treiben in Tallinn

14Aug2019

 

Um dem Jetset-Lifestyle oder auch Roadtrip-Leben gerecht zu werden, machten wir uns nun also auf den Weg in den dritten und damit nördlichsten Baltikum-Staat, genauer gesagt in die Hauptstadt Tallinn und noch genauer gesagt ins Hotel Dzingel. 

An dieser Stelle sei erwähnt, dass je weiter die Reise ging, desto mehr stiegen auch die Preise von Sprit, Lebensmittel und vor allem Hotels (ach Polen, warst du doch günstig...) und somit fiel unsere Wahl auf das verhältnismäßig preiswerte Hotel mit dem klangvollen Namen Dzingel. 

Wir hatten ja gar keine Ahnung, dass Hotel Dzingel eine Art Wallfahrtsort für alle Bustouren für und von Rentnern ü70 war. Das hieß, wir rissen den Altersdurchschnitt drastisch nach unten. Besonders deutlich wurde das beim Abendessen im Hotelrestaurant, das sehr lecker war und mit einer Aussicht auf alle möglichen Grau-/Weißtöne an Haarfarben verbunden war. 

Der Eindruck wurde dann am nächsten Morgen am Frühstücksbuffet erneut bestätigt, unter die vorwiegend deutschen Rentner mischten sich mittlerweile auch einige Spanier und vermutlich Russen. 

Nach dem morgendlichen Menagieren machten wir uns auf ins Stadtzentrum Tallins. Nach ungefähr 15 Minuten endete die Fahrt in einer Art Allee, wo wir Allegra offenbar kostenlos abstellen konnten und so war es nur ein Katzensprung in das touristisch erschlossenen und menschenbefüllte Altstadtviertel. Mit all den anderen 5416 Touristen (Angabe ohne Gewähr) wurden wir nach nur 4 Minuten bummeln von einem monsunartigen Regenschauer überrascht und wir sorgten uns um all die Spanier, die völlig entsetzt gen Himmel blickten. So schnell der Regen kam, war aber auch der blaue Himmel und der Sonnenschein zurück und wir setzten unsere Entdeckungstour fort.

Auch wenn ich mich hier ständig wiederhole, muss ich auch hier festhalten, wie schön und einzigartig Tallinn doch ist. Wir liefen einmal durch die gesamte Altstadt: unzählige Kirchen, historische Reihenbauten und viele Museen, noch mehr Geschäfte und Lokale, Cafés und Restaurants. Nachdem wir u.a. den Rathausplatz und einige Kirchen zu Gesicht bekamen, kraxelten wir dann einen steilen Berg hinauf entlang der alten Stadtmauer, vorbei am  Kanonenturm "Dicke Margarethe" um die wahnsinnig schmuckvolle Alexander-Newski-Kathedrale, eine russisch-orthodoxe Kathedrale von 1900, von innen und außen zu bewundern. Diese befindet sich auf dem Domberg zwischen dem rosaroten Parlamentsgebäude und der Residenz des deutschen Botschafters. Von der Aussichtsplattform des Dombergs aus hatte man eine richtig schönen Blick auf die Stadt herab - das fanden nicht nur wir, sondern auch alle anderen Tausend. So wurde das Fotografieren sehr kuschlig eng und nachdem wir uns wieder befreit hatten aus den Massen, nahmen wir eine Abkürzung über einige historische Treppenstufen, die als eine Art Fluchtweg durch die massive Stadtmauer dienten und in eine kleine Gasse hinter dem Rathausplatz und hin zu einer weiteren Kirche mündeten.

Nachdem wir zum dritten Mal am Hauptplatz und Marktplatz rauskamen, entschlossen wir uns dazu, in ein sehr schönes Kaffeehaus, das sich als eines der ältesten Kaffehäuser Tallinns herausstellte und vergnügten uns mit einer Tasse Kaffee und den unzähligen asiatischen Touristen, die eine riesen Freude hatten, das Schaufenster mit der dekorativen Modelleisenbahn aus allen erdenklichen Winkeln zu fotografieren. 

Danach wollten wir noch in das große Shoppingcenter der Stadt, um - wer hätt's gedacht - mal wieder unser Abendessen zusammenzustellen, welches wir planmäßig im Dzingel-Zimmer verspeisen wollten (es hieß nur, dass das Zubereiten von Nahrung verboten ist und wir hatten ja nicht vor zu kochen, sondern nur alles Gekaufte zu verdrücken. Haben wir später dann auch, nur dass sich keiner sorgt und um jegliche Zweifel aus dem Weg zu räumen: ja, wir sind Rebellen). 

Ich habe ja schon von der Allee berichtet, in der Allegra geduldig auf uns wartete. Es stellte sich heraus, dass man dort nicht kostenfrei parken durfte und somit war das dann der 2. Liebesbrief einer Politesse in einer Woche, diesmal im Wert von 31 Euro. Lief bei uns. 

Naja, jeder Abenteurer muss ein paar Rückschläge verkraften und wir hatten ja die Aussicht noch eine weitere Nacht im 9. Stock des Dzingelhotels residieren zu dürfen. 

Mit besagtem Abendessen, mal wieder einer Runde Bildungsfernsehen und Beautyprogramm im verboten knallorangen Bad ließen wir den Abend ausklingen und waren schon sehr gespannt auf den kommenden Tag, wo wir endlich Finnland erreichen würden... 

 

Zu Fuß durch die lettische Hauptstadt in einem Tag

13Aug2019

Dienstag, 13.08.2019

Schwuppsdiwupps, 3 Stunden später, waren wir auch schon in Riga angelangt. Und mal ehrlich, es konnte ja nur besser werden als Kaunas - und so viel sei verraten: das war es auch und zwar um einiges, zumindest auf den zweiten Blick!

 

Wir haben zwar nicht bemerkt, als wir die tatsächliche Landesgrenze überquerten, nur der Radiosender schwenkte von litauischer Folklore zu lettischem Gerede und einem wilden Mix aus Klassik und internationalen Hits um. Spätestens ein paar Kilometer vor Riga, war man sich dann absolut sicher in Lettland angekommen zu sein, denn die Flagge Lettlands und ein gigantisches Ortsschild versicherten uns zu unserer großen Freude, dass wir uns definitiv nicht verfahren hatten. 

Unser Zuhause für eine Nacht lag sehr extravagant in einem ausladenden Pflasterstein-Kreisverkehr gegenüber einer hohen Kapelle. Das Hotel war Teil des Stadtviertels in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof und war dementsprechend auch etwas abgewohnt und veraltet. Ein kleiner Rundgang, der gleichzeitig die Essensbeschaffungstour war, konnte den ersten Eindruck zwar nicht unbedingt verbessern, aber zumindest haben wir den direkten Weg in die Innenstadt erspähen können und  unser ausgewogenes Abendessen käuflich erwerben. 

 

Im Hotel stellten wir unsere MacGyver-Qualitäten und ungeahnten kreativen Kräfte unter Beweis und zauberten mit lediglich einem Wasserkocher und zwei Tassen ein Nudelgericht, von dem Italiener nur träumen können ... und Dessert gab‘s auch, ach und natürlich Netflix. Ergo: ein rundum gelungener Abend. 

 

Am nächsten morgen ging es nach einer kleinen Stärkung am Frühstücksbüffet auf ins Herz von Riga. Dort konnten wir auch unseren mäßigen ersten Eindruck geraderücken, denn die Innenstadt mit all ihren historischen Bauten, den vielen Kirchen, Denkmälern und der verwinkelten Altstadt ist wirklich schön und auf jeden Fall einen Besuch wert! 

Insgesamt wirkt Riga deutlich größer und urbaner als alle anderen Städte auf unserer Reise bisher. Viele hohe Gebäude, viel befahrene Hauptstraßen, voll Fußgängerwege und Großbaustellen. Nachdem wir ein paar Blocks der Hauptstraße entlang folgten, entdeckten wir einen riesigen und wunderschön angelegten und bepflanzten Stadtpark, davor eine große Denkmalsäule, um welche zwei lettische Soldaten marschierten. Dahinter eröffnete sich uns dann die Altstadt, deren schmalen Kopfsteinpflastergassen und bunten Häuserreihen stark an Danzig erinnerten. Außerdem gab es dort überraschend viele Cafés und Musikbars, kleine Supermärkte mit orignal russischen Produkten und kleine Straßenstände mit den obligatorischen Babuschkas. Wir sind dann immer weiter in die Altstadt gelaufen, bis wir am Ufer des Daugava-Flusses angelangt waren und zufälligerweise genau vor dem Denkmal der Revolution 1905 standen. Schließlich ging's dann wieder zum Auto zurück und wir halten fest: Bahnhofsviertel pfui, Innenstadt und Altstadt hui hui hui. 

Riga, du warst auf den zweiten Blick eine wahre Perle des Ostens und hast uns wieder mal eines Besseren belehrt, dass Osteuropa keine grau-betoniertes Fleckchen Erde ist (zumindest nicht überall). 

 

Lithuanian Realness: Willkommen in Vilnius & Kaunas

12Aug2019

Sonntag, 11.8.2019

Nach drei schönen und sonnigen Tagen in und durch Polen ging die Reise weiter nach Litauen - einem Land, das auf meiner Weltkarte zwar existierte, doch das war es dann auch schon mit Wissen über diesen Baltikumstaat. Ich stellte es mir eigentlich genauso wie Polen vor mit Wäldern und Natur und die Hauptstadt war in meinem Kopf komplett im Ostblock-Schick gestaltet, was sich als vollkommenen Irrtum herausstellte, denn oh Litauen, was bist du doch schön.

 

Angekommen am Urbihop Hotel, das etwas abseits am Stadtrand liegt, waren wir nach der doch recht kurzen und unkomplizierten Anreise im Touri-modus und machten uns auf ins Stadtzentrum, um einen Eindruck von Vilnius/Wilna zu gewinnen. Und der Eindruck war sehr schnell sehr gut! 

Vom geparkten Auto aus liefen wir durch den kleinen Park eines Museums zur Wahrung der Erinnerungskultur des Landes, vor welchem unzählige Gemälde von Kindern ausgestellt waren: darauf teilweise sehr düstere und schreckliche Kriegsszenen aus der Sowjetvergangenheit und/oder den Weltkriegen; da mussten wir beide das ein oder andere Mal schlucken. Kurz darauf liefen wir an der Haupt- und Einkaufsstraße entlang direkt auf die wahnsinnig imposante Kathedrale St. Stanilaus und St. Ladislaus zu. Mit meterhohen Säulen und Statuen erstrahlt das Kirchengebäude ganz in weiß und ist damit definitiv ein absoluter Hingucker und zugleich zentrales Gebäude der Innenstadt. Da wir den Gottesdienst zu der Zeit nicht stören wollten, liefen wir die Hauptstraße wieder hinauf, die offenbar zu einer riesigen Fußgängerzone erklärt worden ist, weshalb sich neben den hunderten E-Scootern langsam aber sicher auch die Café- und Bartische inklusive Gäste auf die Mitte der Straße verfrachteten. Nach einem kurzen Stopp im örtlichen Lidl (sie haben's offenbar geschafft gesamt Osteuropa zu unterwandern und ich dachte, Kaufland wäre krass...) standen wir dann in einem riesigen Stadtpark, schossen ein paar Fotos und dann trieb uns der Hunger zurück ins Hotel. Auf den Fahrten durch die Stadt konnten wir dann erkennen, dass der Stadtrand nicht ganz mit der Innenstadt mithalten kann, da das Bild doch eher von enorm vielen Hochhäusern und Industriegebieten geprägt ist, als von pittoresken Stadtparks und einprägsamen Kirchen- und Parlamentsgebieten. Alles in allem, ist Vilnius eine sehenswerte Hauptstadt, in welcher man mit Englisch zwar nicht so richtig gut durchkommt, die aber dafür sehr viele schöne Ecken und interessante Radiosender zu bieten hat. Ich hatte das Gefühl, dass das Land sich allgemein sehr an der Kultur Russlands orientiert, mit großen Fokus auf Kultur und Geschichte ... ach ja und auf jede Menge folkloristischer und klassischer Musik auf ungefähr 12/15 Radiosendern, Querflöten, Oboen und Sausa Lenta (eine Art Brett mit Löchern) erzeugen aber auch reizvolle Klänge, wer braucht da schon Mainstream-Popmusik. 

 

Zurück im Hotel angelangt, gönnten wir uns im unteren Teil des Hotel ein leckeres Abendessen, welches wir tapfer vor den leicht aufmüpfigen Wespen verteidigten. Danach ging es nach einer Folge Bachelorette und weiteren Folgen anderer, gleichwertiger Bildungsfernsehsendungen ins Bett. 

 

Montag, 12.8.2019

Genug mit malerischen Impressionen von Litauen, let's dive right into the deep deep Ostblock. 

Erstmal ganz gepflegt das Frühstück verpassen, jedoch nicht etwa weil wir verschlafen hatten, sondern weil man uns an der Rezeption Frühstückszeiten nannte, die ganz offenbar geschwindelt waren -  aber wir wollen ja nicht nachtragend sein. Die unerwartet neu dazu gewonnene Zeit ließ es somit zu, dass wir noch eine weitere Stadt Litauens bereisen konnten. Die Wahl fiel recht schnell auf Kaunas, die zweitgrößte Stadt des Landes. 

Jetzt überlege ich, wie ich diese Erfahrung möglichst diplomatisch verpacke... Vielleicht so: Wenn man sich eine Stadt im tiefen Osten Europas mit Ostblockcharme und viel zu viel Beton und Baustellen vorstellt, kommt das ganz gut hin. Ursprünglich wollten wir das Auto irgendwo im Zentrum parken und ein wenig durch die Stadt flanieren, das war jedoch nach wenigen Minuten im Stadtzentrum abgeschminkt. Kaunas schien sehr leergefegt, schmutzig und renovierungsbedürftig. Nachdem wir gefühlt sieben Mal die Innenstadt umrundet und vom Auto aus erkundet hatten, war klar: ziehen sie direkt über Los und eilen geschwind nach Lettland.

Und so schnell kann's gehen, da waren wir wieder auf der Autobahn in Richtung Riga, Lettland. 

Bye bye Kaunas, das war vermutlich das einzig und letzte Mal, dass wir uns begegnen werden... 

3. Halt: Masuren (Nikolaiken & Lomza)

10Aug2019

Ach, was sind die Masuren doch schön. Schön ruhig, schön unberührt und schön grün. 

Aber mal im ernst, ich habe mir zuvor bereits sagen lassen, dass diese Region im ehemaligen Ostpreußen mit der masurischen Seenplatte besonders schöne Naturlandschaften und Wälder zu bieten hat und sehr schön sein soll. Und was soll ich sagen, man hat mich nicht angelogen, es sind wirklich viele weitläufige, naturbelassene und wilde Wälder und Wiesen zu betrachten, die Orte auf dem Weg wirkten sehr verschlafen und längst nicht mehr so modern oder urban wie etwa Danzig. 

Als Zwischenhalt wählten wir den Ferienort Nikolaiken oder Mikolajki, um auch mal an einem der Seen entlang laufen zu können. Die Stadt war zwar nicht sonderlich groß, allerdings versammelten sich dort alle freihabenden Polen und Reisegruppen, die Bootstouren und Restaurantgänge im Sinn hatten. Wir waren dort nur für knapp 2 Stunden und sind am See entlang die Touristenstände und Essenstraße entlang gelaufen, was eine gelungene Abwechslung zu Wald, Natur und noch mehr Wald war. 

Wieder zurück im Auto ging es dann über Landstraßen, Dorfwege und letzten Endes dann über die Autobahn nach Lomza, einer sehr kleinen Stadt, die wir allerdings nicht weiter erkundeten, da es schon abends war und wir absolut auf unser Abendessen und dessen Beschaffung fokussiert waren. 

In Lomza selbst hatten wir uns ein kleiner, schmuckes Apartment ausgesucht, welches wir zum Abwechslung auch mal direkt fanden und nach kurzer Verwirrung, wo denn der Eingang genau war, sollten wir nur noch auf die Dame mit dem Schlüssel warten. Und die erschien auch kurz darauf in einem T-Shirt mit der Aufschrift: Goodbye forever - interessante Wahl für den ersten Eindruck und hoffentlich kein Omen für unseren Aufenthalt. Auf jeden Fall sprach besagte Schlüsselwächterin namens Barbara ausschließlich Polnisch und war der festen Überzeugung, dass wenn sie sich langsam und deutlich artikulierte, wir sie doch wunderbar verstehen müssten - kurzer Spoiler: war nicht der Fall. War aber ein nettes Gespräch mit Händen und Füßen, das letztlich im gebuchten Apartment endete; Ziel erreicht. Nach einem kurzen Shoppingtrip in den örtlichen Lidl, gab es dann ein ausgiebiges Dinner und eine ausgiebige Netflixsession. Wir waren selbst überrascht, was man mit einem Wasserkocher und einem kleinen Kühlschrank alles zaubern kann.* 

So entspannt wie der Abend endete, ging auch der nächste Morgen los. Nach dem Frühstück schwangen wir unsere Figuren wieder ins Auto und waren daran die polnische Landesgrenze zu überqueren und den ersten Baltikumsstaat, Litauen, zu beehren. 

Allgemeines Fazit zu Polen: Ich hatte es vor der kleinen Reise definitiv unterschätzt und mir viel osteuropäischer vorgestellt. Für mich ist und bleibt Danzig der Favorit, wenn auch alle anderen Orte absolut ihren Reiz hatten und zumindest mein Bild von Polen durchweg positiv verstärkt haben. Die Masuren erinnern hier und da an den Bayerischen Wald, weshalb ich der Meinung bin, dass die Region ideal ist für Wanderurlaube oder Ausflüge in die wilde Natur. Wer die Gelegenheit hat oder sich in der Nähe unseres Nachbarlandes befindet, sollte unbedingt einen genaueren Blick darauf werfen und sich von den schönen Städten und vielen Wäldern überraschen lassen! 

*So viel sei Verraten: im Baltikum sind wir dann förmlich zu Höchstformen aufgestiegen, was Essenszubereitung mit ausschließlich einem Wasserkocher angeht.... Fortsetzung folgt, nach nur einem Spot geht's weiter.

Zweiter Halt: Ein Träumchen an der polnischen Ostsee

09Aug2019

Zu Beginn der Autofahrt nach Danzig fuhren wir auf einer sehr modernen Autobahn in Richtung Gdansk, wie Danzig ja auf polnisch heißt und folgten dem Weg, bis er ... eben nicht mehr modern war. Ich wünschte, ich könnte erzählen, dass die Straßenverhältnisse die ganze Zeit über wunderbar waren auf dem Weg nach Danzig, aber ich würde zu Pinocchio mutieren. Da die Autobahn zurzeit renoviert wird und zum Teil noch gesperrt ist, vertrauten wir auf das Navi, welches uns durch zwar sehr idyllische Naturlandschaften, Wälder und verschlafene Dörfer lotste, allerdings war diese Aussicht stark an die, nennen wir es feldwegartige, enge Staßen und stark vernachlässigten Landstraßen gebunden. Was uns unterwegs jedoch auffiel, war die Vielzahl an sehr schön gebauten und hervorragend in Stand gehaltenen Kirchen und Marienstatuen in jedem noch so verlassenen Ort und jedem noch so heruntergekommenen Viertel.

Als wir dann nach 7 Stunden endlich in Danzig ankamen, haben wir uns sehr auf das Apartment gefreut, das wir noch am Vorabend in Stettin gebucht hatten. Dort angelangt, war da nur ein hochmodernen Sicherheitstor und ja, da standen wir nun. Laut Beschreibung und E-Mails hätte vor Ort jemand auf uns warten sollen, der uns den Schlüssel gibt und alles zeigt. Dieser jemand kam nur nicht, am Telefon drückte man uns zwei Mal weg, Nachrichten und E-Mails wurden ignoriert und wir wussten auch nicht so recht. Nach einer knappen Stunde Wartezeit entschlossen wir uns dann dazu ein anderes Hotel zu buchen und taten dies auch kurzerhand. Die Villa Angela hatte noch ein Doppelzimmer frei und schon saßen wir wieder im Auto, um 4 Straßen weiter zu fahren. Kurz nachdem wir im Supermarkt gegenüber unser Abendessen wild zusammengestellt hatten, veranstalteten wir eine Art Dinnerparty im Schlafzimmer ganz nach unserem Geschmack. Im Endeffekt war also alles gut, aber geärgert haben wir uns trotzdem über das vorherige Apartment und darüber, dass das Geld frecherweise einfach abgebucht wurde. Zwei Beschwerde-Mails später lagen wir dann auch satt im Bett und konnten sehr gut schlafen.  

 

Ein neuer Morgen, eine neue Stadt. In unserem Fall Danzig. 

 

Ohne großartigen Plan liefen wir direkt in die Innenstadt. Dort gab es gleich zu Beginn einen typischen Markt, wo es jede Menge Pelzwesten, hautfarbene Badesandalen aus Vollplastik, handgemachte Dekorationen und Schmuck, sowie landestypische Speisen (die ich sehr gerne näher beschreiben wollen würde, allerdings keinen blassen Schimmer hatte, was in all den Einweckgläsern eingefüllt war und was das Gebackenen war, das in den Körben lag). Der Markt führte direkt in die Altstadt, die wir, wie es sich für zwei halbprofessionelle Paparazzi gehört, fleißig fotografierten. Und Motive gab es reichlich, denn die Stadt an der Ostsee muss sich absolut nicht verstecken - im Gegenteil! Als hätten wir es so geplant, stolperten wir von den Marktständen in das große Zeughaus, eine der vielen Sehenswürdigkeiten Danzigs, wo derzeit eine öffentlich zugängliche Kunstausstellung stattfand, welche wir uns natürlich nicht entgehen lassen konnten. Zugegebenermaße bin ich definitiv kein Kunstexperte und kann den künstlerischen Anspruch und Ansatz der Ausstellung auch nicht bewerten; nichtsdestotrotz kann ich sagen, dass diese öffentliche Exhibition moderner Kunst absolut seinen Reiz hatte und es auf jeden Fall eine interessante Erfahrung war und wir uns beide so fühlten, als hätten wir eine minutiös geplante Stadttour ausgearbeitet, auf welcher die Kunstausstellung ein integraler Bestandteil und Zwischenstopp war.  

Nach den Selbstporträts, Kübel-an-die-Wand-geworfen-Bilder, Neonfarben, Nachstellungen von Unfallszenen mit großen Vögeln in Autos, nackten Menschen und Absperrband verließen wir das alte und schöne Gebäude und bogen in eine Straße ein, die uns direkt in den Kern der Altstadt von Danzig brachte. Das Stadtbild und die Atmosphäre dort sind wirklich erlebenswert: Straßen mit Pflastersteinen und bunt verzierten Häuserreihen, mittendrin ein paar alte Brunnen, Torbögen, darunter Straßenmusiker und überall Restaurants, Cafés und natürlich Menschen. Danzig hat sich also recht schnell als Highlight auf unserer Reise entpuppt und ich kann es Euch nur empfehlen, sich die Altstadt anzuschauen, wenn man sich zufälligerweise im Norden Polens rumtreibt oder aber gezielt dorthin reist - es lohnt sich ungemein! 

Begeistert wie wir waren, setzten wir uns nach der kleinen Sightseeingtour in einen sehr schön angelegten Park am Rand der Innenstadt und machten uns auf die Online-Suche nach unserem nächsten Nachtlager, welches dieses Mal unbedingt in der Region der Masuren liegen sollte. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass wir an diesem Tag ein klein wenig Pech hatten, da unser zuvor gewähltes Hotel uns darüber informierte, dass sie nun doch kein Zimmer mehr frei hätten und wir doch bitte eine andere Unterkunft suchen mögen - was bereits das 2.Mal vorkam auf unserer bis dato doch sehr überschaubaren Reise durch Polen. Aber so schnell, wie das erste Hotel storniert worden ist, so schnell war auch Ersatz gefunden und es ging auf nach Lomza. Nein, das ist tatsächlich keine bekannte Metropole, aber wieso denn nicht mal eine polnische Kleinstadt... 

 

Auf geht's ins pittoreske Polen

08Aug2019

Und da war er auch schon, der 8. August 2019 und es hieß Reise, Reise, nächster Halt Polen. 

Am späten Vormittag rollte dann auch mein bester Freund Marvolo mit seiner waldbeerenfarbenen A-Klasse namens Allegra auf den Hof und wir konnten unser doch reichliches Gepäck am Ende komplett unterbringen. Voll bis unters Dach konnte die Reise losgehen. Während der Planung unserer Reise entschieden wir uns für Stettin als ersten Zwischenstopp und Ziel unserer ersten kleinen Städterkundungstour aus zwei recht banalen Gründen: 
1. Von unserer Startposition in Landsberg am Lech sind es etwa 800 Kilometer bis nach Stettin und damit ist diese erste Etappe bereits sehr kilometerreich und stellt somit einen großen Schritt in Richtung Finnland dar. (Außerdem kennt man das ja, am Anfang einer längeren Reise mit dem Auto klingen 9 Stunden wesentlich besser als kurz vor dem Ziel mit plattgelaufenen Füßen, Schlafmangel im Gesicht und dem Bedürfnis jetzt doch auch endlich mal anzukommen). 
2. War keiner von uns zuvor in dieser Stadt und somit wollten wir uns die westpolnische Stadt und ihre sehr oft als sehenswert beschriebene Altstadt nicht entgehen lassen. 
Gesagt getan, nach einer stundenlangen Autofahrt erst durch Bayern, dann durch den Osten Deutschlands und einem kleinen Stopp in Leipzig, wo wir ihm Restaurant zum güldenen M speisten, überquerten wir um 21.30 Uhr die deutsche Grenze. Von dort aus ist es nur ein Katzensprung bis nach Stettin selbst und das gemietete Apartment lag so zentral, dass wir es auf Anhieb finden konnten. 
Unser erster, nächtlicher Eindruck unseres Nachbarlandes war überraschend positiv - sehr modern, neue Straßen und auch nur wenige stockbetrunkenen Jogginghosenträger auf den Straßen unterwegs (na gut, es war unter der Woche und auch schon/erst 22:00 Uhr, aber wir waren trotzdem begeistert). 
Nach unserem „Beakfast served to the room“, welches uns von der Rezeptionistin mit Fingernägeln länger als ihre Shorts bei unsere Ankunft angepriesen wurde, wollten wir das schöne Wetter gleich vormittags nutzen, um in die Stadt zu laufen und einfach mal zu gucken, was Stettin so zu bieten hat und was man dort zu sehen bekommt. Nur noch schnell ein Parkticket lösen und dann auf ins Zentrum, welches nur knapp 1,5 Kilometer, sprich ein paar Gehminuten entfernt war. 

Da standen wir beiden Teelichter nun vorm Parkautomaten, ohne Zloty, geschweige denn Münzgeld, das auch in Polen nicht von Bankautomaten ausgeworfen werden kann. Das bedeutete eine kurze Planänderung: Geld abheben, dann kurz über die Straße in Einkaufszentrum springen, dort im Supermarkt ein paar Getränke und Wegzehrung für die spätere Weiterfahrt organisieren und darauf hoffen, möglichst viel Wechselgeld von der Kassiererin zu bekommen, zurück zum Parkautomaten hechten und ein Tickt lösen. Planmäßig hat das auch alles einwandfrei funktioniert. Nur das auch die Augen der polnischen Politesse ebenfalls einwandfrei funktionierten und sie das Auto erspähte und es kurzerhand mit einem kleinen, nett gefalteten Zettelchen unter dem Scheibenwischer verzierte. Naja, glorreich ist anders, aber so gesehen kann man umgerechnet 11 Euro ja auch mal versehentlich verlieren, aus dem Fenster werfen oder 50 Kilo Butter kaufen in Polen und was macht man bitte mit 50 Kilo Butter?! Wie dem auch sei, nach diesem kurzen Intermezzo konnte es dann endlich losgehen mit Sightseeing in der Innenstadt. 

 Szczecin, oder eben Stettin, hat mich wirklich positiv überrascht! Viele historische Bauten, eine ausgeschilderte Sehenswürdigkeit nach der anderen und oben drein ein superschönes Wetter. Zufälligerweise standen wir dann plötzlich auf einem Aussichtspunkt, der ganz offenbar DER Hotspot für Selfies schlechthin war (wir sind jetzt also Teil von 146 verschiedenen Urlaubsfotoalben völlig fremder Menschen, auch schön). Von dort aus sind wir dann über einen kleinen Straßenmarkt gelaufen und zurück in die Altstadt. Meine zwei persönlichen Monument-Highlights waren das Stettiner Schloss, in welches man sogar hineinlaufen konnte und das sehr imposant an einer großen Brücke gelegen ist und somit etwas oberhalb der Stadt ruht und des Weiteren noch die Jakobskathedrale, die wirklich riesig ist und sehr schön gestaltet. Nochmal kurz Google gefragt, was es hier denn noch so schönes zu sehen gibt und dann ging es auch schon direkt weiter durch die Straßen Stettins bis wir dann nach ein paar Stunden zu Fuß den Eindruck hatten, Stettin gesehen zu haben. Zurück am Auto angekommen und im Moment des Einsteigens, taucht aus dem Nichts besagte Politesse oder auch die Jägerin und Ächterin der Falschparker auf und warf mit Argussaugen einen Blick auf unser Ticket, welches in genau dieser Minute verfiel. Mit einem beinah süffisanten Grinsen im Gesicht zückte sie ihren Block und obwohl wir mit Händen und Füßen zu vermitteln versuchten, dass wir doch drauf und dran waren die Parklücke in diesem Moment zu verlassen, schien sie ihren Job doch seeeehr ernst zu nehmen - wir drehten den Schlüssel im Schloss und sind dermaßen schnell rückwärts vom Parkplatz gerollt, dass die werte Dame nicht mal den Hauch einer Chance hatte uns einen wohlgemerkt 2. Strafzettel an einem Tag auszustellen. So, und damit ist diese dramatische Sequenz beendet und es geht weiter im Text. 

Und da waren wir nun auf der Weiterfahrt ins 4 Stunden entfernte Gdansk/Danzig...

FAZIT: 

Stettin als Zwischenstopp zu wählen, war ein guter Plan, da die Stadt wirklich nicht unterschätzt werden darf. Die Menschen dort sind wirklich sehr freundlich, die Innenstadt ist sehr lebendig und schön, die historischen Bauten und Denkmäler sind sehenswert und außerdem erlebt man einen abwechslungsreichen und langen Spaziergang, der den Eindruck von Polen nur positiv verstärken kann.