Berichte von 10/2019

HALLOWEEN 2019 oder Von schreckenreichen Kostümen und erschreckender Menschenleere

31Okt2019

 

Clowns unter sich

Alle Jahre wieder... nutzen wir jede Möglichkeit und jeden Anlass, um uns zu verkleiden und unsere Schminkskills unter Beweis zu stellen. Und da kommt Halloween doch wunderbar gelegen. Beim Kofferpacken haben zwar keine Kostüme Platz im Köfferchen gefunden und an Faschingsschminke haben wir auch nicht gedacht, aber wir waren ja in der Woche zuvor in einem Fachgeschäft für Halloweenbedarf und unsere Taschen mit Schminkutensilien gefüllt. Und am Dienstag, also zwei Tage vor den eigentlichen Halloweenzelebrationen, war es dann soweit und die erste Halloweenparty für internationale Studenten und alle, die ihr Kostümierungstalent unter Beweis stellen wollten, stand ins Haus. Als wir dann in die Bar Blume stolperten, war dort schon ein buntes Treiben mit Vampiren, blutverschmierten Schulmädchen, Clowns, Fledermäusen, Chucky die Mörderpuppe, leicht bekleideten Krankenschwestern und Hexen. Mit anderen Worte: sehr viel Material zum Beobachten für uns. Auf der Party begegneten uns auch ein paar bekannte Gesichter aus der Uni, die Musik war gut und wir konnten dabei amüsiert zusehen, wie die volltrunkenen, feierwütigen und immer bedenklicher torkelnden tschechischen Austauschstudenten sich um die Gitterstäbe schlungen und der Meute einheizten. Dem Fotoautmaten im Club statteten wir dann auch noch einen Besuch ab. Wieder draußen aus der blumigen Bar merkten wir, wie kalt es doch mittlerweile geworden ist und so klapperte ich solange mit den Zähnen, bis wir wieder in unserer Wohnung angelangt waren. 

Zivilisiert.

Eskalierend.fun fun fun fun fuuuun99 Dollar Dreams (pro Person, versteht sich)Kitty Cat und Halloween Creep.Katze und Patient 0.Das soll so unscharf seinDiagnose: Halloween.Halloween 2019Er treibt sein Unwesen im Club

Mein dezentes Makeup war schnell entfernt, die Frisur aufgelöst und die Kopfhaut damit wieder entspannter, aber der Marvolo stand da vor einer abendlichen Mammutaufgabe. Die Maske stellte sich nach einer Runde in der Dusche als wasserresistend heraus und so war er ungefähr eine Stunde lang damit beschäftigt, das unauffällige Grün aus seinem Gesicht verschwinden zu lassen und die mit Kunstblut verschmierten Arme wieder einigermaßen sauber zu bekommen - schließlich hatten wir am nächsten Morgen einen Kurs in der Uni und wollten alle möglichen Nachwehen der letzten Partynacht verbergen. Uns gelang das auch, besagter Tschechin nicht. Sie saß mehr als Untote im Finnischkurs und fand weder sprechen, noch gerade sitzen besonders reizend. Tja, das macht der übermäßige Konsum von Alkohol mit euch, liebe Kinder. 

Und dann war es ja auch tatsächlich endlich Halloween - was die Finnen übrigens nicht wirklich feiern und wofür auch erst seit wenigen Jahren Parties oder Feiereien veranstaltet werden. Am Abend schälten wir uns aus den Jogginghosen und warfen uns erneut in Schale. Dieses Mal überlegten wir uns beide als Clowns die Szene unsicher zu machen und den Leuten den an diesem Abend gewollten Schrecken einzujagen: 

Einerseits......andererseits

Alles zwischen Pantomime und JokerSympathisch und nahbar.

Nach der Schminksession ging es auf in den Club 21, der ganz unscheinbar in einer Seitenstraße im Stadtzentrum liegt. Angekündigt wurde die Party als DAS Halloween Event in Tampere. Und so erschreckend wir auch ausgesehen haben, noch erschreckender war die Menschenleere um Mitternacht. Der Club war zwar schön dekoriert, trotzdem war fast kein Mensch dort. Nach etwa zwei Stunden warf mir mein allerliebster Joker einen Blick zu, der Bände sproch und wir verließen den Bat Club, so hieß das Untergeschoss des Club 21 und kurz darauf schlossen wir die Türe des Etablissments hinter uns. Naja, wir hatten Spaß, aber mit Party des Jahres hatte das wirklich nichts zu tun. Es scheint ganz so, als wäre Halloween tatsächlich noch nicht so wirklich in Finnland angekommen oder als würde das maskierte Feiern den Finnen noch mehr widersprechen, als Feiern ohnehin. An dieser Stelle auch noch ein Happy Halloween an alle, die es sich - wie wir - zur Aufgabe gemacht haben, sich in die gruselige Schale zu werfen, den Schminkkoffer auspackten und genauso großen Spaß hatten wie wir zwei. 🧛🏻‍♀️🤡👻

Beweisfoto 1Joker im Batmanclub

Von Sonnenstrahlen in Tampere, Türmen mit Seeblick und einem Kometen

23Okt2019

Na wenn das Wetter schon mal sooo schön ist und uns für einen Moment den fast schon winterlichen Herbst vergessen lässt, dann müssen wir ja quasi vor die Tür und ab in einen Park! Da uns am Mittwochmorgen die Nachricht ereilte, dass unsere erste Stunde ausfiel, hatten wir nach dem Frühstück einen ganzen Nachmittag Zeit uns draußen herumzutreiben, bis wir dann um Punkt 17:00 mit ein paar der anderen Austauschstudenten zum wöchentlichen Kaffee trafen bevor es dann für uns alle in die Vorlesung geht. Daher standen wir auch schon bald in einem kleinen Park gegenüber des Hauptplatzes und des Rathauses und genossen die letzten Sonnenstrahlen und die Aussicht. 

Tampere gibt es auch mit SonneFluss und StadtParkidylle am Flussufer

 Das kann man aber noch steigern, dachten wir uns, und saßen nach einer kleinen Beobachtungsrunde in besagtem Park auch schon wieder im Auto auf dem Weg zum Freizeitpark Särkäniemi. Nein, nicht etwa um Achterbahn zu fahren oder uns von den Karussellpferden schwindelig drehen zu lassen - wir wollten höher hinaus, denn man soll ja bekanntlich nach den Sternen greifen und was eignet sich für solch Vorhaben besser als ein Aussichtsturm, der dazu auch noch zu den höchsten Gebäuden in ganz Skandinavien zählt. Richtig, nicht so viel und deshalb ging's für uns im Aufzug nach oben, nach ganz weit oben sogar. Der Ausblick war wirklich der Hammer, man konnte über ganz Tampere blicken und wir stellten zum ersten Mal so richtig fest, wie riesig die Seen denn eigentlich sind. 

Erst von unten......dann auf dem Weg nach oben......und dann von oben.Tampere, du beschauliches StädtchenSeeidyllesieht sogar von oben kalt ausSee soweit das Auge reichtPosen können wir überallich präsentiere erneut: meinen Hinterhof

Diesen wunderbaren Ausblick tauschten wir dann schon bald gegen den einer 45-seitigen PowerPoint-Präsentation rund um den finnischen Wald und die Waldwirtschaft. Richtig, wir saßen pünktlich um 18 Uhr in der Vorlesung und hatten die Ehre einen leidenschaftlichen Waldliebhaber und Dozenten zu lauschen. Die 90 Minuten vergingen etwas zögerlich, denn nach dem 36. Bild von Bäumen und Waldbewohnern ist die Spannungskurve nunmal völlig erschöpft. Auf jeden Fall wissen wir jetzt, dass 73% von Finnland mit borealem Wald bedeckt sind und es hier das größte Waldvorkommen ganz Europas gibt. Der Dozent veranstaltete dann noch eine Quizrunde, um unser Botankiwissen zu testen und unsere Baumartenkenntnisse zu erweitern. Ich werde dieses neu erworbene Wissen nun auch hier präsentieren: Der finnische Wald besteht aus 48% aus Kiefern, zu 33% aus Fichten, zu 16% aus Birken und 3% stellen andere Baumarten dar, darunter Vogelkirsche, Norgwegischer Ahorn, Haselnuss, Eiche und Espe. Wer sich nun fragt, ob das dann die ganze Zeit so weiterging: JA! Um 20:00 fand das Alles jedoch ein Ende und wir konnten den Hörsaal verlassen. 

Am Freitag stand das Muuminmuseum, das gegenüber von der Uni liegt, auf unserem Programm. Jeden letzten Freitag im Monat öffnet dieses kleine, aber feine Museum die Türen völlig ohne Eintrittspreise und das konnten und wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Schließlich sind wir seit Donnerstagabend wahre Muuminfans und -experten! Anni lud zum Filmeabend, der gleichzeitig auch eine kleine Geburtstagsfeier für Viivi war, weshalb wir mit Brownies und guter Laune am frühen Abend vor Annis Wohnung standen. Den beiden Finninen war es ein Anliegen uns in die Welt der Muumins einzuführen, die für uns bis dato vollkommen unbekannt war. Die Muumins stammen aus einer Kinderbuchreihe der Autorin Tove Jansson und sind weiße nilpferdähnliche Fabelwesen, die gemeinsam mit Trollen, einem Känguruwiesel namens Nupsi, der wilden My und allerlei anderen Fantasiewesen gemeinsam im Muumintal leben und Abenteuer erleben. Also saßen wir versammelt in Annis Wohnzimmer und schauten gemeinsam den Film "Komet im Mumintal" von 1992 an und der war auch wirklich witzig und süß gemacht. Jetzt verstehe ich ein bisschen besser, warum überall, wirklich üüüberall die Muumins abgebildet sind, sei es eine Muuminlimonade, Muuminkaugummis, Muumingeschirr, Muuminkissen, sogar einen Muuminfreizeitpark...Muuminalles einfach. Auf jeden Fall war der Filmeabend also die perfekte Vorbereitung auf unseren Museumsbesuch. Das Muumimuseo ist zwar nicht besonders groß, aber mit extrem viel Liebe zum Detail eingerichtet und aufgebaut, sodass es auf jeden Fall einen Besuch wert ist! Sogar der Komet aus dem Buch/Film ist dort im Museum zu bestaunen. Wie man auf den Fotos vielleicht erkennen kann, besteht der funkelnde Komet aus von der Decke hängenden Kristalle in ungefähr allen Farben dieser Welt. Darüber hinaus gibt es jede Menge Originalzeichnungen, nachgestellte Szenen aus Büchern und diversen Verfilmungen, an animierten Wänden können Kinder ihren Helden hinterherjagen, in den Fernsehecken die Serie oder die neueste Verfilmung anschauen und auch sonst gab es jede Menge Vitrinen und lebensgoße Requisiten und Figuren zu entdecken. Nach einer guten Stunde hatten wir dann die Ausstellungshalle einmal komplett umrundet und sind dann noch einen Kaffee trinken gegangen, haben einem Kostüm- und Halloweengeschäft einen Besuch abgestattet für die Feierlichkeiten nächste Woche und waren noch einkaufen, um die Essensbestände aufzufüllen. 

Der Komet über dem MuumintalMarvin und Clémence und KometOriginal Skizzen von Tove JanssonMarvin auf 1 SteinMuumins im Wandel der ZeitWeisheiten aus einem KinderbuchRiesenbuchKatzen sind liebe Haustiere...eine der nachmodellierten Buchszenen

 ...so endete dann eine Woche voller neuer Impressionen der finnischen Kultur, Wäldereien und Ausblicke. Und was bin ich doch froh, dass ich ab jetzt beim Blick aus dem Fenster auch weiß, welche Bäume im Vorgarten stehen, die nebenbei bemerkt ihr Blätterkleid abgeworfen haben und nun auf den Winter warten. 

Dann eben Burgfräuleins am Schwanensee

19Okt2019

Aber aber, da wollten wir uns nicht lumpen lassen und dem Tag nach dieser mehrstündigen Misere noch ein schönes Gewand verleihen. Auf unserer Finnland-Liste stand nämlich auch noch ein Ausflug nach Hämeenlinna und da dieser Ort praktischerweise fast auf dem Rückweg nach Tampere lag, haben wir die Russlandpläne aus unseren Köpfen verbannt und fuhren etwa eine Stunde lang bis wir auf dem Parkplatz des Hämeen Linna standen. 

Das Hämeen Linna ist eine  Burg aus dem 13.Jahrhundert, welche eine der wenigen Bauten im Stil der Backsteingotik in Finnland ist und sehr imposant erhoben in einem Park liegt. Obwohl man dort eigentlich ein Ticket für 20 Euro braucht, um die Gebäude von innen zu sehen und in das kleine Museum zu begehen, standen wir auf einmal mitten drin (das Tor war ja auch sperrangelweit offen und daher absolut einladend) und das ohne besagtes Ticket. Trotz einiger Renovierungsarbeiten und entsprechenden Absperrungen, konnten wir entlang der Schlossmauern, im Gefänfgnisturm, vor den Stallungen, im Innenhof, vor dem Gefängnis, auf der Hängebrücke und im Hinterhof alles bestaunen und natürlich ein Foto nach dem anderen schießen. An diesem sehr nebligen Tag zog es neben uns nur etwa 5 andere Menschen zu dieser Sehenswürdigkeit, weshalb wir also ungehindert alles erkunden konnten. 

Burggefängnis ohne Knackis.Burgfräulein vor Flüsschen und Schäunchen.Spieglein, Spieglein...Tänzelnder TürsteherEinmal Kutscher sein...

Und im Museum zur Geschichte rund um die Burg, die bis auf das Jahr 1200 zurückgeht, waren wir dann natürlich auch noch und das immer noch ganz ohne Ticket... Die Ausstellungshalle war sehr klein, sehr modern und wie gesagt menschenleer. Nachdem wir alles angeschaut hatte, sind wir wieder zurück in den Innenhof der Burg und in Richtung Gefängnis. Und das war ein verlassenes Gefängnis, das mit dem Tiefnebel und den winzigen Fenstern nach einem perfekten Horrorfilmset aussah, weshalb wir es dementsprechend zügig und im Stechschritt wieder verließen. Einmal durch das hintere Burgtor hindurch geschritten, standen wir dann auch schon in einem sehr weitläufigen Park umrandet von Weiden und machten uns nach diesem sehr historischen Programmpunkt auf den Weg zum Auto. 

Museum der BurghistorieBegrüßungskomitee mal andersWir haben geschaut, keiner davon ist unser verlorener Autoschlüssel...leiderWiese, Wald und MarvoloMasterversteck im Burggarten

Um unser Alternativprogramm noch schöner und ausgedehnter zu machen, fuhren wir in den großen Park von Hämeenlinna, wo gleich mehrere kleine Sehenswürdigkeiten auf dem Stadtplan vermerkt waren. Allen voran ein asiatischer Glückstempel. Und an der war so toll, dass wir erst einmal direkt daran vorbeigefahren sind, dazu gleich mehr. Unser bester Freund auf Reisen, das Navi, lotste uns kurzerhand in einen sehr schönen und inzwischen zweifellos herbstlichen Wald bis wir zum Schwanensee gelangten. Wie man vielleicht schon auf den anderen Bildern erkennen kann, war das Wetter an diesem Tag sehr sehr neblig und kühl, was weite Blicke und Aussichten zwar erschwerte, den gesamten Wald jedoch besonders mystisch machte. So wie man das halt aus dem Fernsehen kennt. 

Finnischer WaldSpinnerei im WaldePoserei im WaldeFinnischer Wald #2Der Schwanensee (Schwäne waren ausgeflogen)Mein Waldlook und der Waldboden

 Eine kleine, enge Straße führte durch den gesamten Aulanko Park, welcher wir dann auch weiter folgten (wir hatten ja keine Ahnung, was uns dort noch so begegnen würde). Umso überraschter waren wir dann, als wir nach einem kurzen, strammen und steilen Aufstieg einen Aussichtsturm entdeckten. Gut, zugegebenermaßen war die Sache mit der Aussicht hinfällig, da der Nebel seine Rolle etwas übertrieb, aber nichtsdestotrotz konnten ließ die Plattform uns erahnen, was uns an einem sonnigen Tag nicht entgangen wäre. Von dort aus konnte man nämlich über ewig weite Baumwipfel und Wälder gucken, die von einem See durchzogen waren und uns wurde einmal mehr klar, warum Finnland so berühmt ist für seine schöne Natur!

Aufstieg zum AulankoAussichtsturm Aulankovor allem sieht man Nebel hierEigentlich kann man hier über die Wäldereien und Seen blicken.Marvolo und der Nebel des Grauens.Glückstempel

Zurück auf der Einbahnstraße durch das Naturreservat passierten wir dann noch ein weiteres auffälliges Gebäude (siehe gelbes Minischloss auf dem Foto) bis wir dann auf den klitzekleinen, ziegelroten Glückstempel trafen und auch fast daran vorbeigerauscht wären. Diese kleine Sehenswürdigkeit wird übrigens auf unterschiedlichen Stadtplänen, Straßenschildern und GoogleMaps angepriesen, weshalb wir davon ausgingen, es wäre ein imposanter Bau. Aber das ist ja immer das Gleiche mit diesen Erwartungen... Rundum war es ein sehr schöner und nebliger Ausflug an der frischen Luft unter finnischem Himmel. Und auch wenn man uns verwehrt hat das russische Nachbarland zu bereisen, haben wir weitere Ecken von Finnland entdecken dürfen, unternahmen einen spontanen Roadtrip und nun würde auf uns  ein sehr entspanntes Wochenende zurück in Lukonmäki warten - das hat ja auch seinen Reiz.  

 

Von Visa und Zügen, Kontrolleuren und einer Rückfahrt

18Okt2019

Das mit dem Visum sollte sich dann doch etwas komplizierter gestalten, als gedacht. Ich bekam meines nämlich erst am Donnerstag, welcher bereits der erste Tag unserer Reise hätte sein sollen. Diese Verzögerung zog das Stornieren der Zugtickets, sowie die Umbuchung der Hotelreservierung mit sich. Zum Glück war die Hotelmanagerin Nadezhda sehr freundlich und hilfsbereit und so überlegten wir uns, dass wir doch ein paar Tage mehr in Sankt Petersburg verbringen könnten, sprich von Freitag bis Dienstag, um unsere Visa anständig zu nutzen und die Stadt länger erkunden zu können. Die Hotelpreise der russischen Metropole sind übrigens wahnsinnig günstig, es ist überhaupt kein Problem für knappe 10 Euro die Nacht inklusive Frühstück unterzukommen und das nicht etwa in einem schäbigen Hotel in Bahnhofsnähe... Am Donnerstagabend war die Tasche gepackt, die Dokumente zurecht gelegt, der Proviant organisiert und wir nun schon sehr gespannt, was Russland so zu bieten hat. Aber so weit sollte es gar nicht erst kommen.

Punkt 8 Uhr klingelte der Wecker und wir machten uns bereit, um nun nach dieser kleineren Verzögerung endlich nach St. Petersburg im sagenumwobenen Russland reisen zu können. Die Zugfahrt dorthin sollte von Lahti, einer kleinen Stadt knapp 2 Autostunden von Tampere entfernt, aus losfahren und uns innerhalb von zweineinviertel Stunden in die russische Zarenstadt bringen. Nach einer kleinen Zugverspätung konnten wir uns um 12:15 dann doch auf unserern gebuchten Plätzen niederlassen, die getrennt voneinander lagen, weil der Zug wirklich rappelvoll war. Ich saß in einem Abteil voller Russen, die sich rohe Zwiebeln, Knoblauchchips, Brot und Biert gönnten, der Marvolo war 20 Plätze entfernt von mir ebenfalls umzingelt von Russen, die alle offenbar auf dem Weg back to the roots waren. Es verging keine halbe Stunde bis ich einen Kontrolleur schnurstracks auf mich zukommen sah, da er Augenkontakt hielt, war ich mir sicher, dass er kein Finne sein konnte, was sein Namensschild mir wenige Augenblicke später dann auch bestätigte. Er warf etwa 2,5 Sekunden lang ein Blick auf mein Ticket und das Visum und erklärte mir dann sehr unfreundlich, dass es ein neues Regulationssystem gäbe, welches untersagt, dass man mit einem online beantragten Visum mit dem Zug nach Russland einreisen kann und wir an der nächsten Haltestelle sofort den Zug verlassen müssen. Die voher sehr lauten Russen um mich herum waren alle still und starrten mich an, als hätte ich soeben absichtlich versucht ihr Land illegal zu betreten und sie erwarteten offensichtlich eine Reaktion von mir. Ich aber erklärte dem Kontrolleur, dass ich davon nichts wusste, entschuldigte mich und er zog von dannen. Die Kinovorstellung für das russische Publikum war vorbei. Applaus, Abgang. 

Kurz darauf erschien er wieder und mit Befehlston wies er mich an meine Sachen zu nehmen und ihm zu folgen und das möglichst schnell. Auf dem Gang traf ich dann auch auf Marvolo, dem haargenau das Gleiche gesagt wurde und da saßen wir dann plötzlich im leeren Abteil der 1.Klasse gemeinsam mit dem immer noch grantigen Kontrolleur und vermutlich dem Schaffner des Zuges. Sie notierten unsere Namen und Zugticketnummern und gaben uns ein nicht allzu gutes Gefühl. Die nächste Station hieß Kouvola und wir waren froh, endlich aus dieser seltsamen Situation zu kommen. Beim Aussteigen wartete die finnisch-russische Polizei inklusive Hundestaffel am Bahnsteig und was waren wir doch froh, dass wir einfach an ihnen vorbeilaufen konnten. Aber so ganz entkommen konnten wir dann doch nicht, also noch nicht. Der grantige Kontrolleur gab uns nämlich entnervt zu verstehen, dass wir ihm unauffällig folgen sollten uns so befanden wir uns nur wenige Sekunden später im Zug zurück nach Lahti und das sogar ohne etwas zu bezahlen. Nach seiner erneuten Kontrollrunde kam der Herr dann noch ein letztes Mal auf und zu und begann ein erneutes Gespräch mit uns, dieses Mal deutlich freundlicher und uns wohlgesonnener. Er munterte uns sogar noch auf und sagte, dass wir ja noch genügend Zeit hätten nach ins Nachbarland zu gelangen und gab zu verstehen, dass er die Regelung mit dem Einreiseverbot in Zügen ebenfalls sehr fraglich findet und jeden Tag ein ähnliches Szenario erlebt wie mit uns. 

Gut, da waren wir zurück in Lahti am Bahnhof und suchten nach einem Plan B oder auch nur irgendeiner Möglichkeit, wie wir noch heute nach St. Petersburg gelangten. Die Alternativen waren schnell aufgezählt und leider auch auszuschließen: Bus gab es keinen (die Finnen vermeiden jeglichen Busverkehr nach Russland), Auto haben wir bekannterweise ja wieder (die Grenz- und Sicherheitskontrollen dauern durchschnittlich 6-16 Stunden, deutsche Kennzeichen werden zudem äußerst ungern gesehen, also auch keine Lösung), die Fähren waren für das Wochenende alle ausgebucht (und es dauert 15 Stunden pro Richtung), Flugzeug (die Preise überstiegen die 180 Euro und waren damit schlichtweg zu teuer). Na dann saßen wir da fast schon bedröppelt, aber wir sind knallharte und flexible Optimisten: dann war heute eben die Zeit für einen kleinen Roadtrip im östlichen Finnland gekommen.... 

on the road again...

Von der Kunst des Ausruhens, einem Clown und nicht-russischen Passfotos

15Okt2019

 

Ein deutsches Sprichwort besagt ja "Lieber gut ausruhen, als schlecht arbeiten" und ganz nach diesem Motto gestalteten wir unser Wochenende. Augestylt mit Jogginhosen und Kapuzenpullover bewegten wir uns elegant vom Bett aus in die Küche, um dort zu speisen und natürlich gemeinsam fernzusehen und fanden abends auch den Weg zurück ins Bett. Ja ja, die Kunst des Ausruhens will geübt sein. Mit kleinen Unterbrechungen versteht sich, wie etwa den Gang in die Sauna und eine Runde Sport, um die Muskeln spüren zu lassen, dass sie doch noch gebraucht werden. Außerdem kümmerten wir uns um die Beantragung des Visums für unseren anstehenden Russlandtrip. Das lief auch alles unproblematisch, wir bezahlten brav die 45 Euro und warteten auf die E-Mail mit dem notwendigen Dokument, welches in 2-3 Wertagen da sein sollte. Joa. Und dann habe ich eine E-Mail bekommen, die mir mitteilte, dass mein Passbild nicht den russischen Anforderungen und Regeln entpreche und ich doch ein anderes, diesmal akzeptables Bild schicken sollte. Dass mein Gesicht nicht gemäß der russischen Vorstellung ist, ist natürlich tragisch, für mich jedoch absolut hinnehmbar und so schickte ich das Passfoto erneut. Es kam keine E-Mail zurück, also muss es auf den zweiten Blick doch gepasst haben. Da weiß selbst ich nicht, was ich noch dazu sagen soll. 

Dieses entspannte Wochenende war dann auch überraschend schnell wieder vorbei und der Montag klopfte an die Türe. Montag hieß für uns, dass es mal wieder an der Zeit war das Haus zu verlassen! Und was könnte uns besser motivieren als Shoppen und Sushi. Gar nichts, richtig. Ich habe ja erst von diesem Sushi Restaurant geschwärmt und es war auch das zweite Mal ein kulinarischer Hit. Nach der Lunch-Time kam die Shopping-Time und wir machten die Mall unsicher. Ich deckte mich mit in der Tat sehr sinnvollen Dingen ein, wie Socken, Leopardenprint-Mütze und einem hippen Stirnband, damit ich auch styletechnisch den Temperaturen gerecht werden kann. Danach wollten wir eigentlich noch ins Kino, aber es gab leider nur noch Plätze in den ersten beiden Reihen und um unsere Nackenmuskulatur und Halswirbel zu schonen, entschieden wir dazu diesen Kinobesuch auf Mittwoch zu verschieben und reservierten mit Handtüchern unsere Kinoplätze. Kleiner Spaß, wir reservierten Tickets. 

Am Dienstag ist nicht viel Nennenswertes passiert, wir haben uns für neue Kurse beworben für die zweite Periode des Semesters, aufgeräumt, Bude geputzt und was man halt sonst so zuhause macht gemacht. Abends wollte der Marvolo dann zu einer öffentlichen Sauna fahren, die allerdings so voll war, dass er der Sonne beim Untergehen zusah, Bilder machte und am See entlang spazierte. In der Zwischenzeit hab ich Küchenfee gespielt und uns eine Lasagne gezaubert, die sogar geschmeckt hat.

CandlelightdinnerSo ein schöner Sonnenuntergang

Am Mittwoch ging's für uns dann los zum Finnkino im Finnlayson Center, im Nordwesten der Stadt. Mit dem Glockenschlag um 15:00 Uhr zeigten wir der Dame vorm Kinosaal unsere Tickets für die zwei Sitze ganz hinten in der letzten Reihe. Im Kinosaal saßen bereits alle und starrten auf die schwarze Leinwand, Reden und Smalltalk ist ja kein Bestandteil der finnischen Kultur, von daher war es auch verdächtig still. Die Stille unterbrachen wir dann eben, weil wir alle Kinobesucher, die ebenfalls in der letzten Reihe saßen dazu freundlich aufforderten einaml aufzustehen, damit wir ins hinterste Eck gelangen konnten. Und siehe an, sie haben alle stillschweigend und blickkontanktmeidend agiert und reagiert und kaum saßen wir in den Sesseln, ging's auch schon los mit der lieben Werbung. Für alle, die sich fragen, na was haben die zwei Herzileins sich denn ausgesucht, kommt hier die Antwort: Joker. 

Es folgt eine unbezahlte und ebenso unbeauftragte Werbung. Ich persönlich finde Joker einen ausgesprochen guten Film! Allein schon die schauspielerischen Leistungen sind ernsthaft preisverdächtig, darüber hinaus kommt dann das Thema, welches Einblicke gewährt in die Lebensrealität eines psychisch kranken Menschen, dessen Handlungen unberechenbar sind. Insgesamt ein sehr düsterer Film mit krassen Wendungen. Wer einen Superheldenfilm erwartet, wird vermutlich enttäuscht bleiben, aber wer sich auf ein Dark Drama mit Thrillerzügen einlassen kann, kommt auf seine Kosten. I like! 

 

Von alten Lastern und unmoralischen Kartenspielen

11Okt2019

 Das Semester ist nun schon zur Hälfte vorbei, so schnell kann's gehen! Fühlt sich so an, als wären wir erst vor 3 Wochen angekommen und doch haben wir uns schon sehr gut eingelebt, werfen mit unserem langsam, aber stetig wachsenden Finnischwortschatz um uns ohne Hemmschwelle, freuen uns über Einkaufspreise unter 4€, sind froh, wenn es mehr als 3 Grad und schauen den Bäumen beim Farbwechsel und Blattabwurf zu. 

Ihr müsst wissen, Marvolo und ich haben in letzter Zeit asketisch gelebt und uns in Verzicht geübt. Es geht um Sushi. Idealerweise füttern wir unsere Mägen allerspätestens alle 2 Wochen mit dieser japanischen Köstlichkeit. Sushi kann man daher schon beinahe als Laster interpretieren, weil wir beinahe in jeder Stadt Ausschau halten und überlegen, wie wir am besten an unsere Leibspeise kommen. Es sind nunmehr Monate vergangen seit wir das letzte Mal in unserem Stammjapaner in Augsburg zu Gast waren, ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern. Am Mittwoch war es soweit. Die vierstündige Mittagspause sollte dazu dienen, diese Askese aufzubrechen und unsere Zungen wieder an den Geschmack von Sojasoße zu erinnern und das Stäbchenhalten wieder zu erlernen. Und das dafür auserkorene Sushi-Buffet in der Innenstadt war ultimativ! Wir sind nun wieder offiziell verliebt in die Reisrollen und konnten unser kulinarisches Glück kaum fassen. Das Essen war sogar so unfassbar gut und preislich unschlagbar, dass wir gleich nächste Woche wieder dort essen werden. 

Damit Sushi nicht das einzige Highlight der Woche bleibt, war der Freitag gleich mehrfach verplant und war damit der kontaktfreudigste Tag dieser Woche. Am frühen Nachmittag verließen wir unsere vier Wände, Marvolo stürzte sich ins Getümmel und shoppte eine neue Jogginghose und weitere modische Notwendigkeiten, während ich mich mit einem anderen Austauschstudenten namens Jesús derweil auf einen Kaffee im gleichen Shoppingcenter traf. Nach zwei Stunden Gespräch trennte ich mich wieder von Jesús und gesellte mich wieder zum erfolgreich einkaufenden Marvolo. Nach einem kurzen Zwischenstopp zuhause und einem bratwurstreichen Abendessen ging es für uns nochmal in die Stadt. Unterwegs sammelten wir noch Clémence ein und parkten Allegra (es ist so schön, sie wieder zurückzuhaben) an der Uni. Wir waren nämlich verabredet mit dem typischen Haufen Austauschstudenten in der Boardgame Taverna, was eine absolut ungewöhnliche und dennoch sehr gelungene Mischung aus Bar, Spielesammlung, einer Ansammlung Nerds und einem Bistro ist. Wie der Name der Location bereits verrät, treffen sich dort spielwütige Finnen um klassische, analoge Brettspiele zu spielen. Und genau das war auch unser Plan! Man kann dort aus einer riesigen Sammlung bestehend aus allen möglichen Strategie-, Karten-, Würfel-, Vergnügungs- und klassischen Brettspielen, egal ob bereits Jahrzehnte alt oder brandneu, wählen und versuchen seine Freunde, die plötzlich zu Gegnern werden, zu besiegen. Da die Mehrheit der Spiele irgendetwas mit Finnisch zu tun hatte, waren es Karten, Spieleanleitungen oder Anweisungen kam für uns eine reduzierte, dennoch ansehnliche Auswahl in Frage und wir wählten unter anderem Scrabble, Kniffel und Afrika! für die erste Runde aus. Als dann Domitille und Alex zu uns stießen und die Gruppe damit vollständig war, überlegten wir uns, dass es doch am lustigsten wäre, wenn wir alle gemeinsam ein Spiel aussuchen würden und es dauerte nicht lange, bis Cards Against Humanity auf dem Tisch lag. Für alle, denen dieses Kartenspiel nichts sagt: die Erfinder müssen moralisch und ethisch eindeutig flexibel gewesen sein, denn selbst aus dem schüchternsten Mäuschen wird mit den Karten in der Hand ein verbal sehr bedenklich agierender Mitspieler (siehe Domitille). Die Regeln dabei sind einfach: der erste Spieler zieht eine schwarze Karte, auf welcher ein Satz steht, den es zu vervollständigen gilt. Dies kann nur anhand einer der 5 Karten geschehen, die jeder Einzelspieler auf der Hand hat. Hört sich harmlos an, ist es nur so überhaupt nicht. Der Titel schimpft sich nicht umsonst "Karten gegen die Menschlichkeit", denn die dabei entstehenden ausgefüllten Lückentexte sind alles andere als jugendfrei, stets politisch inkorrekt, unmoralisch, ethisch nicht vertretbar, meistens sehr vulgär, oft obszön, manche einfach nur zum Tränenlachen und andere einfach nur "Ohoo, hat er nicht gesagt"-Auslöser. Gewonnen hat derjenige, der die schrecklichsten Textkonstrukte erzeugt, in unserem Fall waren es Clémence und Alex mit jeweils 8 Karten. Alles in allem war das ein überraschend lockerer und wirklich witziger Abend und ich kann die Boardgame Taverna jedem ans Herz legen!

 

Bunter Haufen 2

 

 

Hello Helsinki & Bye bye Besuch

05Okt2019

Models bei der Arbeit

 Nachdem wir Tamperes Schokoladenseiten und Shoppingmöglichkeiten ausgiebig ausgekostet und erkundet haben, hieß es am Freitag dann auch schon Ade Tampere und Hallo Helsinki. Dania und Dustin wollten unbedingt die Landeshauptstadt erkunden während ihres Besuches hier und da wir die Innenstadt von Helsinki bis dato auch noch nicht beehrt hatten, dachten wir uns, dass wir das doch zu viert tun könnten. Das Apartment war schnell gefunden und überzeugte weniger mit der Lage, aber umso mehr mit seinem Preis für nur 70€ insgesamt. Mit dem gesamten Reisegepäcks der Aneddes im Kofferraum erreichten wir am Nachmittag auch schon die sehr belebte Großstadt und parkten das Auto im Innersten der Stadt (damit meine ich tatsächlich das Innerste, denn das Parkhaus lag so dermaßen weit unter der Stadt, dass die katakombenartigen Felswände dem ganzen Konstrukt eher einer Bergmine ähnelten als sündhaft teuren Parkgrund). 

Ich jammere ja ab und zu wegen der kalten Temperaturen. Ich mach es kurz: in Helsinki gab es Schneeregen und Wind. Perfektes Wetter also, um durch die Innenstadt zu laufen und sich ein Bild von der deutlich aufgeweckteren und urbaneren Stadt zu verschaffen. Nach den ersten Erfrierungsanzeichen landeten wir in einer Cafébar, die ehrlich gesagt sehr eigenwillig und fast schon lieblos eingerichtet war, aber dafür waren die beiden männlichen Betreiber viel zu cool. Viel zu cool. Der Cappuccino war daher schnell getrunken, die Hände wieder aufgewärmt und das Zähneklappern verstummt. Daraufhin strebten wir den großen Dom Suurkirkko und gleichzeitig Wahrzeichen von Helsinki an. Für ein evangelisches Gotteshaus war diese Kirche äußerst imposant und mit Gold und Wandmalereien verziert. Zuallererst dachte ich auch, es wäre eine russisch-orthodoxe Kirche, die hier ja häufig zu sehen sind, aber dann bin ich auf die ungefähr 4 Meter hohe Martin Luther Statue aufmerksam geworden und damit war's dann auch klar, dass dem nicht so sein kann. 

Über den großen Hauptplatz und Hafen ging es über den Präsidentenpalast und das Rathaus der Stadt zurück ins Zentrum. Das Rathaus war interessanterweise deutlich prachtvoller als der Arbeitsplatz des Präsidenten, was wir etwas verwunderlich fanden. Der Hunger trieb uns dann in eine Seitenstraße im Stadtkern in eine Pizzaria/Bar/Café/Hipsterklitsche, wo wir sehr gut verköstigt wurden. Pizza geht ja auch immer. Gestärkt und aufgewärmt stürzten wir uns wieder hinaus in das mittlerweile dunkle und trotzdem immer noch belebte Helsinki. Dort ist mir besonders aufgefallen, dass man sehr viel Englisch und andere Sprachen außer Finnisch hört, was mich darauf schließen lässt, dass die Hauptstadt wahrscheinlich auch deutlich internationalere Stadt ist als beispielsweise Tampere. Wie dem auch sein, Helsinki ist auf jeeeden Fall eine Reise wert und man kann Finnland wieder einmal von einer neuen und sehr schönen Seite kennenlernen. Wir werden sicherlich wiederkommen, das Semester dauert ja noch an und außerdem die Läden nicht leer geshoppt - im Gegensatz zu den Geldbeuteln ;)!

Wir verweichlichten jungen Leut' machten uns dann auf den direkten Weg zum Parkhaus, das immer noch in Richtung Erdkern lag. Parkticket in den Automaten, 22,50€ (!) bezahlt, rein ins Auto und dann durch die geöffnete Schranke fahren (richtig, geöffnet, die 22,50€ waren also umsonst...also eben nicht, aber ihr versteht, was ich meine). Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten wir den Industriehof, wo unser Apartment lag und besetzten Parkplatz Nr. 29. Ich könnte jetzt große Reden schwingen, virtuose Texte erfinden, wie wir den Abend ausklingen ließen, wobei das unten stehende Bild (von Dania geschossen) mehr sagt, als tausend Worte. Ach ja, diese Momentaufnahmen:

Genussmenschen bei der Arbeit.

Am nächsten Morgen konnte Dustin unter Beweis stellen, wie man auch innerhalb von 21 Minuten duschen gehen, sich fertig machen, Koffer packen und aufräumen kann. Respekt, der Herr. Um 11 Uhr ging es dann für uns, ihr ahnt es, zum Shoppen. Das Jumbo Center, in welchem wir bereits zwei Wochen zuvor mit meiner lieben Schwester waren, schien der ideale Ort für all unsere Vorhaben: Nummer 1 auf der Agenda war: Frühstück organisieren. Das war auch schnell gefunden im Supermarkt, die Bank war ebenso fix auserkoren, auf welcher wir die Backwaren, Smoothies und Kaffees hinunterschlangen und  -stürzten. Nummer 2 war der tatsächliche Geldausgebeprozess. Wir statteten H&M, JD, KappAhl und einem Sportgeschäft mit finnischem Namen Besuch ab, Marvolos Bruder konnte einmal mehr seine Shoppingbegabung unter Beweis stellen und seine Outfitauswahl vergrößern. Nummer 3 war Essensaufnahme. Subway klang da wie Musik in unserern Ohren und nach einer Weile anstehen und guten Gesprächen gab es auch die heiß ersehnten Baguettes (oder auch Subs, wie die Jugend zu sagen pflegt), Getrönke und den obligatorischen Cookie. Kommen wir zum traurigen Part des Tages, Nummer 4, das zum Flughafenbringen und Verabschieden. Das Jumbo Center liegt nur wenige Autominuten entfernt vom Flughafen Helsinki Vantaa, weshalb wir äußerst pünktlich vor Ort waren und die beiden noch zum Gate bringen konnten. Nach dem Self-Checkin und die Kofferaufgabe, stand der Security Check an und wir beobachteten Dustin durch die Glasscheibe, wie er etwa 34 elektronische Geräte aus seinem Rucksack kramte, während Dania nach 4,6 Sekungen fertig war mit Tasche auspacken. Dann hieß es nur noch Winke Winke und mit einer hochmelancholischen, stillen, die Wange hinunterrinnende Träne und einem handbesticktem Taschentuch in der Hand mussten wir uns trennen von dem wunderbaren Besuch. 

2,5 Stunden später, passierten wir erneut das Ortschild von Tampere, nutzten noch die Chance und Bequemlichkeit des Leihautos und sind Einkaufen gegangen, bevor wir den roten Skoda Fabia wieder ins Parkhaus des Bahnhofs brachten und den Schlüssel bei der Mietwagenfirma um dafür vorgesehenen Briefkasten einwarfen. Der Bus brachte uns dann nach Lukonmäki und wir betraten unserer nun wieder verstummte und deutlich leerere Wohnung. Das war es vermutlich mit Besuch aus der Heimat für dieses Auslandssemester, außer unser allerliebster Raphi schaut noch vorbei (fühl dich an dieser Stelle gegrüßt mit einem lauten Hello, hello, hello, Raffaelo!). Und damit ging eine wieder sehr schöne, bunte und lustige Woch zu Ende und ich bin froh über all das, was wir zusammen erlebt haben!

•Ach liebe Anettes, wat war dat doch für eine schöne, herzerheiternde und ausgesprochen witzige Woche mit Euch! Ich kann mich nur bedanken für euren Besuch, den ganzen Spaß und dafür, dass ich mit Euch unterwegs sein und alles miterleben durfte. Ihr habt unser Auslandssemester im verschlafenen Tampere sehr bereichtert und mich freut es immer noch total, dass ihr den weiten Weg ins kalte Finnland auf Euch genommen habt! 

Special thanks für die außergewöhnlich herausragende Theateraufführung mit Anedde als Co-Star und Dustin als Licht- und Tontechniker, die gemeinsamen Fresskomas & dafür, dass ihr mich gelehrt habt, dass man seinen Schlafrhythmus selbst in der Hand hat und man nebenberuflich Siebenschläfer werden kann...

Liebe Dania, lieber Dustin, obrigada und thänk ju für diese tolle Woche, wir sehen uns dann im Dezember wieder und ich freu mich jetzt schon drauf ♡ •

Von Maulwürfen, Mexikanern und Museen

03Okt2019

Frische Luft und Natur ist ja ne feine Sache, das will ich auch gar nicht bestreiten, aber nach zwei Tagen an unterschiedlichen Seen und inmitten von unterschiedlichen Bäumen, wollten wir Dustin und Dania noch eine andere Seite von Tampere zeigen. Der Marvolo und ich haben Dienstag ja bekanntlich Uni, weshalb wir unsere Gäste für ein paar Stunden sich selbst überlassen mussten, was die beiden aber völlig in Ordnung fanden und uns versicherten, sie würden das Ratina Shoppingcenter gründlich unter die Lupe nehmen während wir unseren Streberseelen neues Lernfutter boten. Nach dem Kurs schwangen wir uns auf die beliebten E-Scooter und machten uns auf den Weg die beiden zu treffen. Mit unserer Ankunft ging es dann auch los bzw. weiter mit der Shoppingtour. Dustin stellte sich als wahres Shoppingtalent heraus und erweiterte seien Garderobe unter anderem um eine Lederjacke. Nach dem Shoppen ist vor dem Kaffee, soll heißen wir gönnten uns Milkshake, Frappé und Co. und machten uns wieder auf den Heimweg mit unserem neuen Lieblingsverkehrsmittel: dem Bus. 

Am darauffolgenden Tag hieß es für meinen allerliebsten Mitbewohner und mich "Auf zur Uni!", zur Erinnerung, wir bekommen hier ja kein Geld fürs Netflixen oder Shoppen, nein, wir sind hier im AuslandsSEMESTER und das heißt, man sollte ab und an auch mal Unterricht haben. Nach einer wie immer lustigen Stunde Finnisch, hatten wir unsere lange Mittagspause und nutzten diese auch sinnvoll! Nein, ich meine nicht mit Essen oder Shoppen, sondern mit dem Organisieren einer wiederaufladbaren Busfahrkarte, mit der die Einzelfahrten etwa um die Hälfte günstiger ist und der Bus auch ein bezahlbares Verkehrsmittel wird. In der Zwischenzeit hat Marvolo einen neuen Schlüssel bei einem Autohändler bestellt und wir hatten noch keine Ahnung, wie lange das dauern würde, bis wir diesen Schlüssel erhalten würden. Nach dieser Erledigung trafen wir uns nochmal mit Anette und Dustin im Ratina Shoppingcenter, was sich als wahrer Hotspot für uns zu entwickeln scheint. Auf jeden Fall war das eine lustige Pause und so ging es um 18.00 Uhr beschwingt zurück zum Hörsaal. Die Stunde handelte von Kommunikation in Finnland. Man könnte ja meinen, es gäbe nicht viel darüber zu erzählen (Achtung, Wortwitz haha, was haben wir gelacht), aber es war tatsächlich sehr aufschlussreich. Finnen sind wahre Könige und Königinnen im "Wie vermeide ich möglichst jedes unnötige Gespräch und allgemein jeden Kontakt zu Fremden". Zum Teil empfinden sie sogar das Nachfragen oder waschechten Smalltalk als gesellschaftliches Verfehlen und Untat, da man nicht essentielles klärt oder ein Ergebnis erzielt. Auch im Bus wird grundsätzlich nicht gesprochen und der Finne hofft einfach darauf, dass wenn er die Jacke schließt und den Rucksack auf den Schoß nimmt, dass der Sitznachbar das als Zeichen wahrnimmt und sich erhebt, um ein Aussteigen zu ermöglichen. Hauptsache nicht geredet. Allerdings muss ich hier anmerken, dass die Finnen, die wir bisher getroffen haben, sehr wohl unterhaltsam, kommunikativ und hilfsbereit sind oder es zumindest sein können. Sie möchten nur niemanden mit unnötigem Gerede stören oder nerven und sind sich ihrer besonderen Vorliebe für Stille und Schweigen auch bewusst. Also keine asozialen Maulwürfe, sondern schüchteren Elche - okay, ich weiß selbst nicht, was das bedeuten soll. Die Finnen sind nette und wenn sich sprechen auch sehr direkte Menschen, das wollte ich sagen.

Tadaa, da war es auch schon Donnerstag. Nach zwei Tagen erfolgreichem Shopping waren für diesen Tag drei grobe Programmpunkte auserkoren: Mexikanisches Buffet, Museumsinsel, Eishockey. 

Das mag alles ganz einfach klingen, aber wir hatten da so unsere Startschwierigkeiten: Für die nächsten drei Tage schien uns ein Leihauto wieder mal sehr sinnvoll und deshalb reservierte der Marvolo am Abend zuvor einen Skoda Fabia, den wir "schnell in der Früh" abholen wollten, dann die beiden einsammeln und uns dann auch schon auf zum mexikanischen Restaurant Pancho Villa machen wollten, einer offenbar überaus beliebten und daher florierenden Restaurantkette in Finnland. Ja, das mit dem "schnell in der Früh" entwickelte sich dann doch zu einem "langsam gegen Nachmittag". Um Stirnrunzeln und unnötige Falten zu vermeiden, hier die Kurzfassung:

Zunächst ging es mit dem Bus zu einem Autohaus, in welchem besagter Mietwagenverleiher einen Stand hatte. Da dort weit und breit kein Ansprechpartner war, wählte Marvolo die dort angegeben Telefonnummer, woraufhin uns ein Mann an der anderen Leitung zu verstehen gab, dass wir doch zu einer anderen Filiale in Bahnhofsnähe kommen sollten. Also Bus wieder zurück gen Stadtmitte und zum Bahnhof geeilt. Dort haben wir dann nach über einer halben Stunde das versteckte Büro auch entdeckt, aber: wieder keiner da, Büro geschlossen, alles abgedunkelt. Naja, dann haben wir erneut nochmal angerufen und die Stimme am Telefon sagte uns, der Kollege wäre jetzt zum Autohaus gefahren und würde dort auf uns warten. Kommunikation ist eine hohe Kunst. Nach etwa 3 Stunden Irrfahrt, wilder Suche und Warten, wurden uns dann doch die Autoschlüssel überreicht und wir konnten in den ferrariroten Skoda einsteigen und die bereits hungrigen Gäste zu unserem Mexikaner-Date abholen. Wer hätte es gedacht, dass wir tatsächlich noch an ein Mietauto gelangen würden....richtig, wir auch nicht.

Beim Mexikaner gab es dann zur Belohnung riiichtig gute Burger und Nachos, die wir uns mit großer Hingabe einverleibten. Und das Essen war ja erst der erste Punkt auf der To-do-Liste des Tages und daher ging's mit vollen Bäuchen zum Museokeskus Vapriiki. Das war eine Art Farbikhalle, die mittlerweile zahlreiche Museen beherbergt und für 6 Euro Eintritt hat man dann die Möglichkeit alle möglichen Museen zu erkunden, vom Bürgerkrieg 1918 und einem Lenin-Flügel, bis zum Edelstein- und Gesteinstrakt, einer Gaming- und Spielhallenausstellung, Tier- und Naturkundegängen und schließlich einer eindeutig gruseligen Puppenhaushalle - nur um ein paar zu nennen. Von all den Ausstellungen/Museumsteilen haben mir zwei ganz besonders gefallen, nämlich das Theater-Museum und die Musical Ausstellung rund um das Hippiemusical "Hair". Im Theater und Film-Abteil gab es Requisiten und einen Greenscreen... was soll ich noch groß sagen, eine Kleiderstange voll mit Klamotten aus den 80ern trifft auf knallgelbes Auto trifft auf eine Horde vier Bekloppter, die es sich in den Kopf setzten, alle Kleidungsstücke miteinander zu kombinieren und einen wahren Augenschmauß zu bieten. Man muss dazu sagen, dass wir auch wirklich freie Bahn hatte, keine Augen von Missgönnern oder Neidern uns störten oder gar andere Museumsbesucher weit und breit zu sehen waren. Es folgte wildes und obszönes Posieren im und ums Auto herum, daraufhin ein bis drei Outfitwechsel, was wiederum in absolut bizarres und zugleich passioniertes Fotografieren vor dem Greenscreen mündete: 

Nennt sich Mode.

Formel 100

Als ich den Leopardenschal, den ich kurzerhand zum Haarband umfunktionierte, wieder abgewickelt hatte, die ockerfarbene Lederjacke von den Schultern gestriffen hatte, die lila Lacktasche schweren Herzens zurück auf die Stande hing, die Katzenbrille absetzte und den asiatisch anmutenden Fächer zusammenklappte und zurück in die Jeansjacke schlüpfte, wartete nicht weit entfernt bereits die nächste Gelegenheit sich vollkommen zum Affen zu machen. Oh ja, ich mag sowas. Direkt zwei Gänge weiter, war eine Bühne aufgebaut inklusive Bühnenbild, Lichttechnik und Soundeffekten uuuuund - zu Danias und meiner großen Freude - Kostüme. Wunderbare, alte, burgfräuleinähnliche Gewänder, Kleider, Latzhosen, Schühchen und sogar ein Fettsuit. Da mein Herz schon sehr lange für Theater und dramatische Inszenierungen schlägt, war sofort klar: wir bleiben hier erstmal und lasset die Show beginnen! Da das dabei entstandene Videomaterial den ein oder anderen und im Grunde auch alle Theaterliebhaber möglicherweise nachhaltig verstören könnte und ich weder meinen, noch den Ruf meiner verehrten Begleitungen und Schauspielkollegen schädigen möchte, überlasse ich die Szenen eurer Fantasie und Vorstellungskräften, liebe Leser  😉 Auf jeden Fall war es sehr sehr sehr sehr witzig und zählt mit Sicherheit zu meinen Highlights des gesamten Finnlandabenteuers. Nachdem das Schlachtfeld, ich meine natürlich die Bühne, von uns wieder aufgeräumt hinterlassen wurde, verewigten wir unsere Namen im Besucherbuch und verließen diese absolut großartigen Gänge des Theatermuseums. Auf dem Weg zur Ausstellung diverser Computerspiele, Spielautmaten und Simulatoren oder auch meinem zweitliebsten Teil dieser Museumsinsel in Vapriiki, verhielten wir uns vollkommen unaufällig, staunten über die felsengroßen Edelsteine, testeten alle testbaren Fahrzeuge, wie einen der ersten Busse hier in Tampere und einem alten Drahtesel (siehe Fotos), trafen auf allerhand Waldtiere, rochen an getrockneten Pflanzen, durchwanderten die Entwicklung des finnischen Journalismus und wurden im Handumdrehen und mit Blumenkränzen im Haar zu Hippies. Das Musical "Hair" war in Finnland wohl von besonders großer Bedeutung und gilt bis heute als das beliebteste Musical der Finnen. Ich habe diese unbändige Liebe kurz unter die Probe gestellt, als ich mich an der Karaokemaschine versuchte und mit Mikrofon in der Hand ein schrilles Ständchen trällerte. Alle Überlegungen einer Karriere als singender Hippie sind damit vom Tisch; zwar war die Leidenschaft da, aber so ganz ohne Talent wird das eben ein steiniger Weg, den ich definitv umgehen möchte.  

Er ist und bleibt Radsportfan.

Dustin lief nach diesem musikalischen Intermezzo, was übrigens auch mein Hippiepartner Marvolo zu verantworten hatte, schnurstracks in die nachgebaute Spielhalle mit originalen und vor allem funktionstüchtigen Flipperautomaten, PacMan, Flug- und Rennautosimulatoren und vielen weiteren Spielen für Spielkälber wie uns. Es verging einige Zeit bis wir uns von den Automaten lösen konnten, Generation Zocker halt. Hat jedenfalls großen Spaß gemacht und unsere Reaktionsfähigkeiten herausgefordert. Danach sind wir noch weiter durch die Spieleausstellung gelaufen, wo man auch alles anfassen und ausprobieren konnte bis wir dann an der Eishockey- und Sportgallerie vorbei im Puppenparadies standen. Oder Albtraum. Je nachdem wie man sein Verhältnis zu Puppen und kleinen handbemalten Figuren beschreibt. 

Und ehe man sich versieht, verwandeln sich die Museumsvitrinen der ersten Eishockeykleidung der beiden Heimatvereien Ilves und Tappara in ein waschechtes Eishockeystadion. Wir konnten und wollten D&D keinesfalls die Atmosphäre eines Eishockeymatches vorenthalten und deshalb waren die Tickets für das Spiel "Vasaan Sport vs. Tappara" schneller gekauft als die Teamnamen ausgesprochen. Tappara, der Zweitligist, hat Vasaa mit 5:1 besiegt, weshalb die Stimmung extrem gut war im Stadion und wir natürlich jubelnd mittendrin. - What a lovely day! 

Los gehts, ihr Luchse!

Superfans von Tappara