Von alten Lastern und unmoralischen Kartenspielen

11Okt2019

 Das Semester ist nun schon zur Hälfte vorbei, so schnell kann's gehen! Fühlt sich so an, als wären wir erst vor 3 Wochen angekommen und doch haben wir uns schon sehr gut eingelebt, werfen mit unserem langsam, aber stetig wachsenden Finnischwortschatz um uns ohne Hemmschwelle, freuen uns über Einkaufspreise unter 4€, sind froh, wenn es mehr als 3 Grad und schauen den Bäumen beim Farbwechsel und Blattabwurf zu. 

Ihr müsst wissen, Marvolo und ich haben in letzter Zeit asketisch gelebt und uns in Verzicht geübt. Es geht um Sushi. Idealerweise füttern wir unsere Mägen allerspätestens alle 2 Wochen mit dieser japanischen Köstlichkeit. Sushi kann man daher schon beinahe als Laster interpretieren, weil wir beinahe in jeder Stadt Ausschau halten und überlegen, wie wir am besten an unsere Leibspeise kommen. Es sind nunmehr Monate vergangen seit wir das letzte Mal in unserem Stammjapaner in Augsburg zu Gast waren, ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern. Am Mittwoch war es soweit. Die vierstündige Mittagspause sollte dazu dienen, diese Askese aufzubrechen und unsere Zungen wieder an den Geschmack von Sojasoße zu erinnern und das Stäbchenhalten wieder zu erlernen. Und das dafür auserkorene Sushi-Buffet in der Innenstadt war ultimativ! Wir sind nun wieder offiziell verliebt in die Reisrollen und konnten unser kulinarisches Glück kaum fassen. Das Essen war sogar so unfassbar gut und preislich unschlagbar, dass wir gleich nächste Woche wieder dort essen werden. 

Damit Sushi nicht das einzige Highlight der Woche bleibt, war der Freitag gleich mehrfach verplant und war damit der kontaktfreudigste Tag dieser Woche. Am frühen Nachmittag verließen wir unsere vier Wände, Marvolo stürzte sich ins Getümmel und shoppte eine neue Jogginghose und weitere modische Notwendigkeiten, während ich mich mit einem anderen Austauschstudenten namens Jesús derweil auf einen Kaffee im gleichen Shoppingcenter traf. Nach zwei Stunden Gespräch trennte ich mich wieder von Jesús und gesellte mich wieder zum erfolgreich einkaufenden Marvolo. Nach einem kurzen Zwischenstopp zuhause und einem bratwurstreichen Abendessen ging es für uns nochmal in die Stadt. Unterwegs sammelten wir noch Clémence ein und parkten Allegra (es ist so schön, sie wieder zurückzuhaben) an der Uni. Wir waren nämlich verabredet mit dem typischen Haufen Austauschstudenten in der Boardgame Taverna, was eine absolut ungewöhnliche und dennoch sehr gelungene Mischung aus Bar, Spielesammlung, einer Ansammlung Nerds und einem Bistro ist. Wie der Name der Location bereits verrät, treffen sich dort spielwütige Finnen um klassische, analoge Brettspiele zu spielen. Und genau das war auch unser Plan! Man kann dort aus einer riesigen Sammlung bestehend aus allen möglichen Strategie-, Karten-, Würfel-, Vergnügungs- und klassischen Brettspielen, egal ob bereits Jahrzehnte alt oder brandneu, wählen und versuchen seine Freunde, die plötzlich zu Gegnern werden, zu besiegen. Da die Mehrheit der Spiele irgendetwas mit Finnisch zu tun hatte, waren es Karten, Spieleanleitungen oder Anweisungen kam für uns eine reduzierte, dennoch ansehnliche Auswahl in Frage und wir wählten unter anderem Scrabble, Kniffel und Afrika! für die erste Runde aus. Als dann Domitille und Alex zu uns stießen und die Gruppe damit vollständig war, überlegten wir uns, dass es doch am lustigsten wäre, wenn wir alle gemeinsam ein Spiel aussuchen würden und es dauerte nicht lange, bis Cards Against Humanity auf dem Tisch lag. Für alle, denen dieses Kartenspiel nichts sagt: die Erfinder müssen moralisch und ethisch eindeutig flexibel gewesen sein, denn selbst aus dem schüchternsten Mäuschen wird mit den Karten in der Hand ein verbal sehr bedenklich agierender Mitspieler (siehe Domitille). Die Regeln dabei sind einfach: der erste Spieler zieht eine schwarze Karte, auf welcher ein Satz steht, den es zu vervollständigen gilt. Dies kann nur anhand einer der 5 Karten geschehen, die jeder Einzelspieler auf der Hand hat. Hört sich harmlos an, ist es nur so überhaupt nicht. Der Titel schimpft sich nicht umsonst "Karten gegen die Menschlichkeit", denn die dabei entstehenden ausgefüllten Lückentexte sind alles andere als jugendfrei, stets politisch inkorrekt, unmoralisch, ethisch nicht vertretbar, meistens sehr vulgär, oft obszön, manche einfach nur zum Tränenlachen und andere einfach nur "Ohoo, hat er nicht gesagt"-Auslöser. Gewonnen hat derjenige, der die schrecklichsten Textkonstrukte erzeugt, in unserem Fall waren es Clémence und Alex mit jeweils 8 Karten. Alles in allem war das ein überraschend lockerer und wirklich witziger Abend und ich kann die Boardgame Taverna jedem ans Herz legen!

 

Bunter Haufen 2