Von protzigen Metrostationen, goldenen Palästen und einem mittelschweren Kulturschock

12Nov2019

Tadaa, da bin ich wieder. Und zwar zurück aus dem fernen Russland, genauer gesagt aus Sankt Petersburg. Nachdem unsere Reisevorhaben in Finnlands größtes Nachbarland, wie hier berichtet, schon seit Wochen ausgearbeitet, aber dennoch bisher erfolgreich verhindert worden sind, haben wir es tatsächlich geschafft am 9. November die finnische Grenze hinter uns zu lassen und einen Fuss ins unbekannte Russland zu setzen.

Auferstehungskirche oder Blutkirche

 Der Wecker klingelte um 4:15 Uhr, also genau zu unserer Zeit und schlaftrunken und halbwach stiegen wir in Allegra ein, um uns auf zum Flughafen Helsinki Vantaa zu machen, der etwa 2 Stunden entfernt von Tampere liegt. Unser Zeitplan ging ganz gut auf, denn wir konnten das Auto erfolgreich auf dem gemieteten Parkplatz abstellen und standen um 6:45 Uhr an der Bushaltestelle, von dort aus uns ein Shuttlebus zum Flughafen brachte. Überraschenderweise waren wir auch seine einzigen Fahrgäste zu dieser sündigen Uhrzeit. Eine Sicherheitskontrolle, eine Passkontrolle und eine Ausreisegenehmigung später, eilten wir weiter in Richtung Terminal 2, Gate 47, was wirklich - und ich übertreibe mal nicht - am anderen Ende des Flughafens lag. Als wir dann endlich an besagtem Gate angelangt waren, war das Boarding bereits geschlossen, uns war gut warm vom Dauerlauf auf Morgen und die zwei Flughafenmitarbeiterinnen begrüßten uns mit unterschiedlichen Stimmungen. Die eine war ausgesprochen freundlich und wollte uns nichts Böses, die andere hielt uns zunächst einen Vortrag darüber, dass wir ja ganz schön knapp dran wäre und unser Zeitmanagement doch nächstes Mal besser im Griff haben sollten, denn sie hätte unsere Flüge bereits gecancelt, da wir ja nicht pünktlich zum Boardingbeginn erschienen sind. Ihrer unendlichen Großzügigkeit und dem Einreden der freundlicheren Dame sei Dank durften wir dann doch noch in den Flieger einsteigen. Wir saßen an den Notausgängen in der Mitte und hatten dementsprechend Beifreiheit, von der die First Class nur träumen kann. Es kam dann noch zu einem kleinen Zwischenfall, als der Steward die Sicherheitsanweisungen wild gestikulierend und sehr leidenschaftlich erklärte und seine Hand dann ganz unverhofft in meinem Gesicht landete und er mir einen Stirnklatscher verpasste. Ich schrie auf und fing an lauthals zu weinen... okay, nein, es war wirklich überhaupt nicht schlimm, ich versicherte ihm auch, dass das überhaupt nicht tragisch war und durchaus mal passieren kann, aber er war hochrot und beschämt und wollte mir ein Softdrink andrehen als Entschädigung, welches ich dankend ausschlug. Nach nicht einmal 40 Minuten landeten wir am Flughafen Pulkovo Sankt Petersburg und von da an kamen wir uns zum aller ersten Mal vollkommen fremd im Ausland vor. Dazu gleich mehr. 

Hoch motiviert und viel zu frühSonnenaufgang über Helsinki

 Noch am Flughafen konnten wir Rubel ergattern, damit wir auch die nötigen finanziellen Mittel hatten, um unsere Pläne in die Tat umzusetzen. Mit genau 3000 Rubeln, umgerechnet 45 Euro, in der Tasche machten wir uns auf ins wilde Getümmel. Mit einem Linienbus fuhren wir zuerst zu einer Metrostation, an welcher wir uns ein Ticket organisierten, das 7 Fahrten wert war. Das mag alles recht simpel klingen, war es für uns nur nicht wirklich, weil ja alles alles alles auf Russisch bzw. in kyrillischen Buchstaben zu lesen ist und mein Russisch inexistent ist, der Marvolo hat zum Glück vor einiger Zeit in der Uni Russischstunden gehabt und konnte die Buchstaben entziffern und ich bat ihn oft, den Text mal vorzulesen (in der Hoffnung, dass man irgendetwas verstehen konnte), was wirklich enorm hilfreich war, und ab und zu nur für weitere Verwirrung gesorgt hat. ABER wir haben es ja alles geschafft. Die Metrostationen in Sankt Petersburg sind wirklich besonders, sie sind protzig gestaltet, mit Gold, Mosaik oder anderweitigen Kunstwerken verziert, mit Kronleuchtern versehen und dazu gleicht keine einzige Station einer anderen. Angekommen im Stadtzentrum machten wir uns erstmal auf den direkten Weg zum Hotel, wo wir dann zwar schon einchecken konnten, aber die Zimmer erst in 1 Stunde betreten durften, was für uns bedeutete, dass wir eine kleine Stadttour zu Fuß vor usn hatten - zum einen als Zeitüberbrückung, zum anderen, um einen ersten Eindruck des Stadtkerns zu gewinnen. Und das konnten wir! Die Stadt ist unfassbar groß und man läuft unweigerlich von einer massiven Kirche zur nächsten Kathedrale, dann läuft man wieder auf ein Denkmal zu bis man vor einem weiteren imposanten Gebäude steht - was protzige Bauten und Prunk angeht, kann den Russen so schnell keiner was vormachen. Als wir dann am Flussufer standen, entschieden wir uns dazu erstmal einen Kaffee trinken zu gehen und dann zurück zum Hotel zu laufen, wo das Zimmer mittlerweile seit über 2 Stunden fertig sein sollte. In einem Café angekommen, stellten wir schnell fest, dass Englisch uns hier wirklich nicht weiterbrachte, also gaben wir dem elfenhaften Kellner, der Socken mit Affen drauf trug, mit wenigen Worten zu verstehen, was wir denn gerne hätten. Wieder auf der Straße fing es schon an zu dämmern und wir liefen zum Hotel zurück, bezogen das Zimmer und verbrachten den Abend nach einem kurzen Zwischenstopp im Supermarkt und einer Pizzabestellung beim Roomservice ganz entspannt. War ja auch ein langer Tag für uns, die Füße platt und die Augen recht schnell zu. 

gleich um's Eck von unserem HotelErlöserkircheIrgendwo am Flussufer mit Augenringen bis zum Knie

 Für den Sonntag war ein Besuch der weltbekannte Eremitage, einem Kunstmuseum, auf dem Plan. Auf dem Weg dorthin bekamen wir zwei weitere Metrostationen zu Gesicht und standen dann auch recht schnell auf dem riesigen Palastplatz des Winterpalastes vom Zar Alexander I. In der Mitte des Platzes steht auch die 47,5 Meter hohe, rote Alexandersäule zu seinen Ehren. Ein Teil des Winterpalastes ist eben die Eremitage und nach einer Stunde anstehen, bekamen wir unsere kostenlosen Tickets (danke lieber Studentenausweis) und es ging los. Man muss dazu sagen, dass wir zwei Banausen wirklich wenig Ahnung oder Erfahrung oder Wissen von / mit / über alte persische Baukunst, Malerie, Skulpturen und fernöstliche Kunst oder Kunst allgemein haben, von daher konnten wir vor allem über die Vielfalt staunen, die Gemälde bekannter Maler und Künstler betrachten und alles bewundern. Ich würde behaupten, dass dieses Weltkulturerbe defintiv ein Muss ist, wenn man in Sankt Petersburg ist und im Bestfall noch kunst- und kulturinteressiert ist! 

PalastplatzEremitageEremitagebesucherMarvolo zwischen Säulenein paar Bilder an der Wandunauffällige DeckenverzierungEndlich ein roter Teppich

 Dann war es auch schon Montag und damit ein neuer Tag für weiteres Sightseeing angebrochen. Nach dem Frühstück und einer Verdauungspause auf dem Zimmer, machten wir uns los und auf zur Blutkirche. Unterwegs passierten wir das Russische Museum, das Puschkin-Denkmal und weitere Kirchen und Kathedralen - bis wir dann letztendlich in einem Park landeten, der uns direkt zur Erlöserkirche, wie die Blutkirche auch genannt wird, führte. Für 5 Euro kann man das Monument betreten und die Millionen von Mosaiksteinen bewundern. Das Innere der Kirche, die eigentlich gar keinen religiösen Zwecken dient, sondern neben Konzerthalle und Theater auch gleichzeitig die Stelle beherbergt, an welcher der Zar Alexander II. ermordert wurde, ist wikrlich wunderschön! Bereits von außen betrachtet, lässt sich erahnen, dass die Erlöserkirche eine wahre Perle des Stadtkerns ist und zurecht eines der Sinnbilder für Sankt Petersburg ist. Gemeinsam mit den anderen hundert Leuten blieben wir einen Weile und schauten uns die Decken- und Wandverzierungen an, liefen am kleinen Shop in der Kirche vorbei und fanden schließlich den Weg nach draußen. Unser nächstes Ziel war die große Einkaufsmeile der Stadt, die nicht weit entfernt lag. Unterwegs blieben wir dann bei einem Straßenkünstler stehen, der aus brennenden Sprühdosen und wenigen Handgriffen richtige Kunstwerke zauberte. Die Einkaufsmeile beginnt mit einem gigantischen Kriegsdenkmal (von einem der vielen Kriege, in welchen die Russen verwickelt waren), auf Hälfte der Strecke befindet sich ein kleiner Park mit einer weniger kleinen Statue von Katharina der Großen, gefolgt von einem weiteren Palast und der russischen Philharmonie - protzig und imposant können sie. Dabei stellt man sich dann schon einige Male die Frage, warum denn so viel Geld für die Stadt und weniger für die Menschen abfällt, vielleicht ganz nach dem Motto "Nach Außen hui und im Inneren pfui" - aber ich möchte hier ja nicht sozialkritisch und zu politisch werden. Nach einem langen, langen Spaziergang (denn die Einkaufsstraße ist nicht nur enorm breit, sondern auch ausgesprochen lang) bogen wir einmal nach rechts ab und betraten eins der großen Shoppingcenter. Wir hatten uns nämlich vorgenommen, einmal in der wahren Welt, sprich jenseits der Hotelzimmertür, essen zu gehen, was gar nicht mal leicht ist, wenn man bedenkt, dass die Speiskarten und auch sonst jegliche Text so gut wie unlesbar waren und auch die Umschriften wenig halfen, denn die Vokabeln saßen mal so gar nicht. Im obersten Stockwerk des Centers befand und befindet sich vermutlich noch immer ein großer Foodcourt, also ein Gelände mit ganz ganz vielen Essenständen und Minirestaurants. Ja und dann ging sie los, die Suche nach einer Speisekarte mit englischen Namen oder zumindest irgendeiner Art Übersetzung und nach bereits einsetzender Überfoderung fanden wir einen Mexikaner, der seine Gerichte tatsächlich auf Englisch angeschrieben hatte und damit war das Abendessen gesichert. War sehr lecker und auch scharf, die Speiseröhre und das Zwerchfell haben Grüß Gott sagen können und sind wahrscheinlich dankbar, dass sie solche Schärfe nicht wirklich oft erleben... 

Das Russische MuseumPuschkin-DenkmalAuferstehungskirche oder BlutkircheBlutkirche im MiniaturformatMosaiktraumDer Platz, an dem Peter der Große ermordert wurdeRussische Eier im KirchenshopInnenstadtKatharina die Große - DenkmalLecker und ScharfTouris am Start

Und da war er auch schon, der vierte und letzte Tag in dieser riesigen Stadt. Wir überlegten uns, dass wir nach dem Auschecken vom Hotel aus die Metro bis zur allerletzten Station nahmen und von dort aus mit dem Bus eine Stunde stadtauswärts bis zum Peterhof fuhren. Der Namensgeber der Stadt soll da nämlich ein klitzekleines Palästchen hingebaut lassen haben und das wollten wir uns doch einmal näher anschauen. Was soll ich sagen, der Peterhof ist mit Abstand das größte Schloss, das ich in meinem Leben gesehen habe. Die Fläche besteht aus so unendlich viel Park, Garten, Springbrunnen, goldenen Statuen, kleinen Palästen, Kirchen, großen Gebäuden und Treppen, dass man sich eigentlich nicht wirklich vorstellen kann, dass der Peter das alles mal gesehen oder besucht hat. Wir nutzten auf jeden Fall die vielen Fotogelegenheiten, waren sogar mal am Meereseufer, hatten einen Ausblick auf Sankt Petersburg und dazu noch jede Menge frische Luft. Auch der Peterhof ist wikrlich sehenswert!

Peterhofkleine Kirche am NebengebäudeEmpfangshalledie Lieblingsfarbe vom Peter war wohl goldTadaa......poseAusblick vom PalastrandPalastparkimmer noch der Palastparkder Zar wie er mit dem Löwen ringt

Nach ein paar Stunden spazieren, fotografieren und königlichem stolzieren standen wir wieder an der Bushaltestelle und saßen nach einer Stunde Busfahrt in einem Taxi (wobei ich mich rückblickend frage, ob das überhaupt ein offizielles Taxi war oder einfach nur ein Mann mit einem Auto und einem geklauten Taxischild - wie auch immer) auf dem Weg zum Flughafen. Das war dann auch nochmal sehr abenteuerlich, denn die russischen Passkontrollen und Gepächdurchleuchtungen, Bodychecks und nochmalige Kontrollen geben einem nicht unbedingt ein gutes Gefühl. Während des tatsächlichen Ausreisens, wo man den absolut grimmigen Kontrolleuren mit sichtbarem Machtkomplex das Visum, die Einreisegenehmigung und den Reisepass vorlegt, meinte dann der junge Herr, dass er besonders streng sein müsste und ließ meinen Reisepass erstmal auf Gültigkeit überprüfen, telefonierte 3 Mal, ordnete mir an mich doch gerade hinzustellen und mich nicht zu bewegen, wollte dann noch, dass ich ihm all meine Reisepassdaten auswendig aufsage und das zwei Mal. Wie dem auch sei, ich durfte ja dann doch wieder ausreihen und die Schranke passieren, hinter der Marvolo schon wartete. Dann ging es noch zum Postkarten shoppen und Kaffee trinken, bevor der Flug pünktlich um 19:40 startete und eine halbe Stunde später in Hesinki landete. Wir waren sehr froh wieder in Finnland zu sein, wo die Menschen freundlicher sind, die Atmosphäre lockerer und die Polizei- und Militärpräsenz deutlich geriner ist. 

Ich bin sehr froh, dass wir die Nähe zu St. Petersburg genutzt haben und einmal im größten Land der Welt waren. Die Stadt ist, wie zu erwarten, riesengroß, sehr belebt und sehr alt - letzteres aber überhaupt nicht im negativen Sinne. Man kann quasi gar nicht an den ganzen Museen, Parks, Palästen, Denkmälern, Kirchen, Kathedralen und anderen Sehenswürdigkeiten vorbeilaufen, da die Stadt sooo viele zu bieten hat. Für die vier Tage hatten wir ein buntes Programm, es wird nie langweilig und gefordert wurden wir auch, Englisch ist nämlich mehr ein Mythos in diesem Land als eine sprechbare Sprache und bei den unzähligen Kameras und Soldaten wollten wir bloß nicht auffallen. Alles in allem war es ein Kurztrip in eine ganz andere Welt, der sich aber auf jeden Fall gelohnt hat und den ich sicher nicht so schnell vergessen werde! Und damit Спасибо und на здоровье! 

immer diese Touris...

 

P.S. Danke Marvolo, für die ständige Vorleserei und die Versuche mir Russisch näher zu bringen - es war mir eine Freude mit Dir, so wie immer eben! 😎