Von Visa und Zügen, Kontrolleuren und einer Rückfahrt

18Okt2019

Das mit dem Visum sollte sich dann doch etwas komplizierter gestalten, als gedacht. Ich bekam meines nämlich erst am Donnerstag, welcher bereits der erste Tag unserer Reise hätte sein sollen. Diese Verzögerung zog das Stornieren der Zugtickets, sowie die Umbuchung der Hotelreservierung mit sich. Zum Glück war die Hotelmanagerin Nadezhda sehr freundlich und hilfsbereit und so überlegten wir uns, dass wir doch ein paar Tage mehr in Sankt Petersburg verbringen könnten, sprich von Freitag bis Dienstag, um unsere Visa anständig zu nutzen und die Stadt länger erkunden zu können. Die Hotelpreise der russischen Metropole sind übrigens wahnsinnig günstig, es ist überhaupt kein Problem für knappe 10 Euro die Nacht inklusive Frühstück unterzukommen und das nicht etwa in einem schäbigen Hotel in Bahnhofsnähe... Am Donnerstagabend war die Tasche gepackt, die Dokumente zurecht gelegt, der Proviant organisiert und wir nun schon sehr gespannt, was Russland so zu bieten hat. Aber so weit sollte es gar nicht erst kommen.

Punkt 8 Uhr klingelte der Wecker und wir machten uns bereit, um nun nach dieser kleineren Verzögerung endlich nach St. Petersburg im sagenumwobenen Russland reisen zu können. Die Zugfahrt dorthin sollte von Lahti, einer kleinen Stadt knapp 2 Autostunden von Tampere entfernt, aus losfahren und uns innerhalb von zweineinviertel Stunden in die russische Zarenstadt bringen. Nach einer kleinen Zugverspätung konnten wir uns um 12:15 dann doch auf unserern gebuchten Plätzen niederlassen, die getrennt voneinander lagen, weil der Zug wirklich rappelvoll war. Ich saß in einem Abteil voller Russen, die sich rohe Zwiebeln, Knoblauchchips, Brot und Biert gönnten, der Marvolo war 20 Plätze entfernt von mir ebenfalls umzingelt von Russen, die alle offenbar auf dem Weg back to the roots waren. Es verging keine halbe Stunde bis ich einen Kontrolleur schnurstracks auf mich zukommen sah, da er Augenkontakt hielt, war ich mir sicher, dass er kein Finne sein konnte, was sein Namensschild mir wenige Augenblicke später dann auch bestätigte. Er warf etwa 2,5 Sekunden lang ein Blick auf mein Ticket und das Visum und erklärte mir dann sehr unfreundlich, dass es ein neues Regulationssystem gäbe, welches untersagt, dass man mit einem online beantragten Visum mit dem Zug nach Russland einreisen kann und wir an der nächsten Haltestelle sofort den Zug verlassen müssen. Die voher sehr lauten Russen um mich herum waren alle still und starrten mich an, als hätte ich soeben absichtlich versucht ihr Land illegal zu betreten und sie erwarteten offensichtlich eine Reaktion von mir. Ich aber erklärte dem Kontrolleur, dass ich davon nichts wusste, entschuldigte mich und er zog von dannen. Die Kinovorstellung für das russische Publikum war vorbei. Applaus, Abgang. 

Kurz darauf erschien er wieder und mit Befehlston wies er mich an meine Sachen zu nehmen und ihm zu folgen und das möglichst schnell. Auf dem Gang traf ich dann auch auf Marvolo, dem haargenau das Gleiche gesagt wurde und da saßen wir dann plötzlich im leeren Abteil der 1.Klasse gemeinsam mit dem immer noch grantigen Kontrolleur und vermutlich dem Schaffner des Zuges. Sie notierten unsere Namen und Zugticketnummern und gaben uns ein nicht allzu gutes Gefühl. Die nächste Station hieß Kouvola und wir waren froh, endlich aus dieser seltsamen Situation zu kommen. Beim Aussteigen wartete die finnisch-russische Polizei inklusive Hundestaffel am Bahnsteig und was waren wir doch froh, dass wir einfach an ihnen vorbeilaufen konnten. Aber so ganz entkommen konnten wir dann doch nicht, also noch nicht. Der grantige Kontrolleur gab uns nämlich entnervt zu verstehen, dass wir ihm unauffällig folgen sollten uns so befanden wir uns nur wenige Sekunden später im Zug zurück nach Lahti und das sogar ohne etwas zu bezahlen. Nach seiner erneuten Kontrollrunde kam der Herr dann noch ein letztes Mal auf und zu und begann ein erneutes Gespräch mit uns, dieses Mal deutlich freundlicher und uns wohlgesonnener. Er munterte uns sogar noch auf und sagte, dass wir ja noch genügend Zeit hätten nach ins Nachbarland zu gelangen und gab zu verstehen, dass er die Regelung mit dem Einreiseverbot in Zügen ebenfalls sehr fraglich findet und jeden Tag ein ähnliches Szenario erlebt wie mit uns. 

Gut, da waren wir zurück in Lahti am Bahnhof und suchten nach einem Plan B oder auch nur irgendeiner Möglichkeit, wie wir noch heute nach St. Petersburg gelangten. Die Alternativen waren schnell aufgezählt und leider auch auszuschließen: Bus gab es keinen (die Finnen vermeiden jeglichen Busverkehr nach Russland), Auto haben wir bekannterweise ja wieder (die Grenz- und Sicherheitskontrollen dauern durchschnittlich 6-16 Stunden, deutsche Kennzeichen werden zudem äußerst ungern gesehen, also auch keine Lösung), die Fähren waren für das Wochenende alle ausgebucht (und es dauert 15 Stunden pro Richtung), Flugzeug (die Preise überstiegen die 180 Euro und waren damit schlichtweg zu teuer). Na dann saßen wir da fast schon bedröppelt, aber wir sind knallharte und flexible Optimisten: dann war heute eben die Zeit für einen kleinen Roadtrip im östlichen Finnland gekommen.... 

on the road again...