Wiedersehen macht Freude!

02Sept2019

Und da war er auch schon ins Land gekommen, der 2. September. Heute war ein ganz besonderer, fett markierter Tag im Kalender, denn wir bekamen hohen Besuch aus der Heimat! Und so rollten die beiden sehnlichst erwarteten Autos recht früh am Morgen auf den Parkplatz unseres Wohnheims und ich bin nach unten geeilt, weil ich mich natürlich ganz außerordentlich gefreut habe, meine Familie wieder zu sehen. Außerdem war heute nicht irgendein Tag, sondern auch der Geburtstag meiner Tante, die sich auch auf den weiten Weg ins ferne Finnland gemacht hatte und aus einem der beiden Autos stieg. In unserer endlos weitläufigen Wohnung haben wir selbtsverständlich keine Kosten und Mühen gescheut und unseren (doch sehr überschaubaren) Esstisch in ein Frühstücks-/Kuchenbuffet verwandelt. Die Wiedersehensfreude war sehr groß und die Vorfreude auf die bevorstehende Woche, die wir alle zusammen in einem Cottage an einem der vielen Seen verbringen werden, war mindestens genauso groß. 

Und schon saßen wieder alle im Auto, diesmal auf dem Weg zu einem Ort, irgendwo im Nirgendwo zwischen Jämsä und Mänttä (nein, die Namen sind nicht ausgedacht). Nach über einer Stunde Fahrt standen wir dann an einem kleinen roten Häuschen mitten im Wald und wollten dort die Schlüssel für unser eigentliches Domizil entgegennehmen und unsere 2,5 Worte Finnisch gekonnt einsetzen. Wir klopften, niemand öffnete uns die Tür, war ja auch das falsche Haus. Naja, ein paar hundert Meter weiter stand dann das richtige Haus oder vielmehr lag die Farm von Marika, der Haus- und Schlüsselbesitzerin und nach wenigen Minuten Smalltalk und der freundlichen Übergabe, erreichten wir das Waldhaus und waren vom ersten Anblick an absolut begeistert! Das Häuschen am See mit seinen zwei Saunas, Whirlpool und Fensterfront mit Blick auf Wald und See war nicht nur ausgestattet für 21 harte Winter und dekoriert mit viel Liebe zum Detail, es hatte sogar Betten mit bequemen Matratzen - ein Luxus, der uns nach ein paar Wochen Wohnheim ungewohnt fremd geworden war... Auf jeden Fall war es eine außerordentlich gute Entscheidung hier unsere Family Woche zu verbringen. Nach einer ersten Versorgungsfahrt im etwas entfernten Supermarkt, grillten wir zur Feier des Tages auf einem der 5 Grills und ließen es uns gut gehen - ein Geburtstagsständchen durfte natürlich auch nicht fehlen. 

• Betty, ich hoffe sehr, dass dir dein Geburtstag in finnischer Idylle genauso gut gefallen hat wie sonst immer am Meer und dass der Zwetschgendatschi in guter Erinnerung bleibt. Es war mir eine große Freude, dass ihr extra angereist gekommen seid und wir deinen Geburtstag, wie jedes Jahr, gemeinsam verbringen konnten! Nächstes Jahr dann mit Blick auf Palmen und Meer, anstatt See, Birken und Zecken •

 

Bäume, dahinter See.Ich, Miss Krummfinger, dahinter Bäume.Unser Ferienhäuschen, dahinter Wald.Auf ins kühle Nass... oder soSee, darin wilden Wolkentreiben.

 Am nächsten Tag hieß es für uns das allererste Mal Uni und deshalb verließen wir mittags die wildromantische Idylle und machten uns auf den Weg zurück in das urbane Treiben Tamperes und eilten zum Unterrichtsraum. Um ehrlich zu sein, verbrachten wir mehr Zeit davor als darin, denn nach etwa 34 Sekunden wurden wir, d.h. alle 7 Austauschstudenten, hochkant aus ihrem Kurs geworfen, da diese nichts in ihrem Kurs zu suchen hatten und Wartelistenkandidaten erst recht nicht. Richtig bemüht und Kingge-konform, die Gute. Naja, somit hatte sich die Fahrt nach Tampere wirklich nicht gelohnt und ich hätte den Tag mit meiner Familie am Haus verbringen können, aber wir haben es nicht geahnt, dass wir so rigoros verbannt werden würden. Die Nacht blieben wir im Wohnhaus, weil am Mittwoch der große Sightseeingtag mit und für meine liebsten Verwandten angesagt war und sie uns vormittags wieder im Wohnheim beehrten. Von dort aus fuhren wir in die Stadt, parkten die Autos und liefen schnurstracks zum großen Ratina Shoppingcenter, wo unserer Meinung nach immer am meisten geboten ist in der Innenstadt. Nach einer kleinen Bummelrunde durch etwaige schwedische Modeketten und andere Geschäfte, fanden wir uns dann in einer kleinen Pizzaria wieder und erfreuten uns an den wagenradgroßen Pizzas, die man uns dort servierte. Wer meine Familie kennt, weiß: Nach dem Essen ist vor dem Kaffee! Also rollten wir satt zum nächsten Café und gönnten uns jeder ein Tässchen und ein, zwei Happen von den Zimt- und Kardammomschnecken - mehr war wirklich nicht mehr drin, denn Völlerei ist schließlich eine Todsünde. Nach diesem schönen Nachmittag im Herzen Tamperes liefen wir zurück zu den Autos und teilten uns auf. Denn Marvolo und ich, wir zwei Musterstudenten, hatten um 18.00 Uhr einen Kurs über die finnische Kultur und Gesellschaft - wir waren sehr gespannt, ob wir dieses Mal geduldet werden würde. Und siehe da, die Dozentin war sogar froh darüber, dass so viele Exchange Students den Weg in den Vorlesungssaal gefunden hatten und somit hatten wir dann tatsächlich drei Wochen später auch mal unseren ersten Kurs an der finnischen Gastuni. Um kurz vor acht stolperten wir dann zurück zum Auto und fuhren in der Abenddämmerung durch Nebelschwaden und schöne, wenn auch mystische Waldlandschaften zurück zu unserem Ferienhaus. Kurz bevor es wieder auf den absolut unbefestigten Waldweg ging, an dessen Ende auch besagtes Hütti lag, hielten wir an einem besonders schönen See an, schossen ein paar Fotos und zogen Grimassen: 

 Schwesterherz am SinierenSee No. 421753Gleiche Gene

 Jetzt konnte unser finnisches Holzfäller-, Pilzesammler-, Angler- und Wildlingleben so richtig beginnen, denn die folgenden Tage konnten wir ganz ohne unnötige Uniunterbrechungen entspannt und gediegen am Cottage verbringen. Abgesehen von ein paar besonders bewegungsarmen Stunden vorm Fernseher haben wir uns ganz ins Abenteuer See und Sauna gestürzt: Mit dem kleinen Fischerboot haben wir den See umrundert und Marvolo konnte seine exorbitanten Gondolière-Fertigkeiten unter Beweis stellen. Der See war nebenbei bemerkt das Hoheitsgebiet zweier Schwäne, von denen wir uns dezent beobachtet fühlten als wir unsere Kreise zogen und durch das dunkle Gewässer schipperten... Nach dem Kolumbus ist vor dem Marco Polo! Und damit meine ich, nach dem Bootfahren ist vor dem Baden. Wir hatten doch tatsächlich die Schnappsidee in den ungefähr 10 Grad kalten See zu hüpfen und es war - Überraschung - saukalt, und mit saukalt meine ich, so kalt, dass sich erst in Zehen und Fingern, dann sofort in Füßen, Waden, Händen und Armen eine unangenehme Taubheit einstellt, sodass sich das eiszapfige Gehirn an die lebensrettenden Schwimmbewegungen erinnern musste, damit wir wieder an die kleine Leiter am Steg zurückgelangten während wir mit unserern erschrockenen Herzen und zusammengezogenen Lungenflügeln kämpften. Das war vielleicht etwas dramatisiert, aber kalt war es trotzdem! Mit der Gänsehaut zusammen ging es dann auf in den Whirlpool und danach direkt in die Sauna, die uns wieder Leben eindampfte. Ach ja, Holzhacken haben wir auch mal ausprobiert, sieht im Fernsehen leichter aus. Und selbstgeangelten Hecht gab es übrigens auch und der war ganz fantastisch (Lob und Gruß an den Meisterkoch und Oberangler, meinen werten Papa). Hach was war das doch für eine schöne Woche...

Die Kamera liebt uns...Auch ein Rücken kann entzücken.Chillimillis am GrilliHorstl beim HolzhackenSee, darin wilden Wolkentreiben.Wir haben ihn nicht gestoßen, er wollte das.

 So ein Ferienhaus am See ist laut Erzählungen einiger Finnen übrigens ganz typisch hierzulande, denn anstelle von Adriaküste und Sommerurlaub am Mittelmeer ziehen die Finnen selbst ihr eigenes Land vor und verbringen in den Sommermonaten, aber auch die Feiertage im Winter sehr gerne und so viel Zeit wie möglich in ihren Waldhäusern am See und genießen die Ruhe und die Natur. Und da haben sie auch völlig recht! Die Sonnenuntergänge und der Seeblick allgemein sind einfach wunderbar und man kann sich gar nicht satt sehen. Lange Rede, kein Sinn; hier sind ein paar Bilder, vielleicht versteht ihr ja dann, was ich meine: 

Einhorntraum.

 

♥ Meine allerliebste Familie, es war mir eine große Ehre und Freude, dass ihr mich hier besuchen gekommen seid und euch nicht von den 2.500 Kilometern Weg bis hierher habt abschrecken lassen. Man hört das ja sehr viele Leute sagen, aber für mich seid ihr die beste Family, die ich mir so wünschen könnte. Thank you, Danke und Kiitos für die bezaubernde und sehr entspannte Woche im Haus am See und vor allem für euren Besuch, den ich wirklich nicht als selbstverständlich ansehe. Wir sehen uns im Dezember wieder und ich freu mich jetzt schon sehr drauf! ♥